Zum Hauptinhalt springen

Ritter der Ministerrunde

Von Walter Hämmerle

Kommentare

"Entkomplizierung" ist ein Schlüsselwort zum Verständnis der österreichischen politischen Kultur. Wer braucht da schon Prinzipien?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien ist, das können die Wiener und die für sie verantwortlichen Politiker gar nicht oft genug wiederholen, Österreichs einzige wirkliche Stadt. Deswegen flüchten ja auch so viele aus der ländlichen Intimität des Dorflebens an jenen Ort, der Freiheit und Anonymität verheißt. Andererseits ist Wien aber auch nicht viel mehr als ein weiteres großes Dorf, wo sich bestimmte Kreise, wenn sie es denn unbedingt darauf anlegen, einander ständig über den Weg laufen.

Ob dies nun gut oder schlecht ist, lässt sich nur schwer sagen. Intimität macht vieles einfacher; etwa die Wege kurz und die Kommunikation direkt - guten Willen und gemeinsame Interessen einmal vorausgesetzt. So ist nun einmal das Dorfleben, wo man es mit leidigen Formalismen nicht ganz so genau nimmt.

Formalismen allerdings gehören zur Essenz demokratischer Politik. Natürlich ist es angenehm, die wirklich wichtigen Dinge beim Heurigen zu besprechen. Blöd nur, dass man sich irgendwann darauf verständigt hat, dass Transparenz und Gewaltenteilung vielleicht nicht perfekt sind, auf lange Sicht aber ganz zweifellos den bestmöglichen Entscheidungsmechanismus
darstellen.

Jetzt ist es ja keineswegs so, dass es in Österreich überhaupt keine Kontrolle der Mächtigen gibt. Die sitzen in der Regel sogar auf ein und derselben Bank. Der härteste Kontrollor, der erbittertste Aufpasser für Österreichs Regierung ist weder die Justiz noch der Rechnungshof oder die Medien und schon gar nicht die Opposition, sondern der eigene Koalitionspartner. SPÖ und ÖVP sind sich auch in dieser Hinsicht selbst genug - und am besten, wenn beide auf der Regierungsbank sitzen.

Formalismen spielen dabei, wenn überhaupt, so allenfalls eine untergeordnete Rolle. Die Zweite Republik war stets eine höchst informelle Machtakkumulation - und ist es bis heute geblieben. In dieses Bild des geschmeidigen Regierens passt, dass die Klubobleute im Ministerrat, der allwöchentlichen Regierungssitzung, mit am Tisch sitzen. Selbstredend ohne Stimmrecht, mitreden tun sie aber schon.

Ist eh okay und trägt wahrscheinlich wesentlich dazu bei, die Umsetzung von Vorhaben zu entkomplizieren. Es widerspricht nur leider einem nicht ganz unwesentlichen Prinzip, nämlich der Trennung von Exekutive und Legislative. Und ganz so nebenbei stärkt das vertraute Zusammensitzen die ohnehin schon übermächtige Regierung zusätzlich, während es den ohnehin schon dahinsiechenden Parlamentarismus nur noch weiter entmachtet.

Jetzt könnte man natürlich mit Fug und Recht einwerfen, dass es mit diesem Prinzip - genauso wie mit etlichen anderen - in Österreich nicht allzu weit her ist und wir ja schließlich trotzdem eines der schönsten, erfolgreichsten, wohlhabendsten etc. Länder dieser Welt sind. Stimmt ja auch; nur dass wir zu den Staaten mit den höchsten demokratischen Standards zählen, das behauptet keiner. Ist schließlich auch nicht so.

Dazu müsste man nämlich gewisse Prinzipien, und seien sie noch so lästig, mehr als nur zum Schein akzeptieren.