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Rituale des Staus zum Abschied

Von Bernhard Baumgartner

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Staus sind in einer Großstadt keine Seltenheit. Niemand erwartet, in der Rush-Hour schnell von einem Ende Londons zum anderen zu kommen. Einer der beachtlichsten Staus in London ist derzeit allerdings keiner von Autos - sondern von Fußgängern. 20, ja manche Prognosen sprechen sogar von 30 Stunden Wartezeit, die man einplanen muss, wenn man am Sarg ihrer Majestät, der Queen, Abschied nehmen will. Viele Kilometer entlang des Ufers der Themse, über die Brücke und auf der anderen Seite wieder zurück, geht die Schlange an Wartenden, die in typisch britischer Disziplin geduldig ausharren, um zum Sarg vorgelassen zu werden. Ordner werden dabei kaum gebraucht, man hat aber 500 mobile Toiletten entlang des Weges aufgebaut, und sogar Seelsorger in Warnwesten stehen zur Verfügung, falls jemand bei einem Gespräch Entlastung suchen möchte.

Das ist nicht nur ein Zeichen vorbildlicher Disziplin und Organisation, sondern auch ein gigantisches Symbol des Respekts, ja man muss auch sagen: Liebe des Volkes zu seiner verstorbenen Monarchin. Einer der Wartenden gab gegenüber BBC World an, extra aus San Francisco eingeflogen zu sein, stellte sich umgehend an und plant die Rückreise, sobald er am Sarg vorbei ist. Wie lange er stehen muss, ist ihm egal (nach dem langen Flug wohl auch kein Thema). Das kann man nun gut finden oder auch etwas übertrieben. Aber es illustriert, welche bedeutende Rolle die Queen für manche Menschen gespielt hat.