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Rivalen, die keine sein wollten

Von Alexander U. Mathé und Michael Schmölzer

Politik

Strache will als "verlorener Sohn" zurück zur FPÖ, die von seinem politischer Ex-Schützling Nepp erfolglos geführt wird.


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Dominik Nepp hat derzeit wahrscheinlich den unangenehmsten Job in der österreichischen Politik: Er weiß, dass die FPÖ bei der kommenden Wahl mit fliegenden Fahnen untergehen wird. Prognosen zufolge werden die Blauen von 31 auf 10 Prozent abrutschen. Doch dem nicht genug, ist der Mann, der ursächlich für diesen Niedergang ist, nicht nur Nepps direkter Konkurrent, sondern auch noch sein ehemaliger Boss. Und als solcher spielt Heinz-Christian Strache mit seiner neu gegründeten Partei die Überlegenheitskarte aus. Gegenüber der FPÖ ist sein Spruch generell: "Ich bin das Original". Doch gegenüber Nepp wird Strache nicht müde, ein Meister-Lehrling-Verhältnis herauszustreichen.

Tatsächlich vermittelt Nepp den Eindruck des Formel-3-Fahrers, der auf einmal Formel 1 fahren muss. Die Wahlwerbung der Blauen wirkt wie ein maßgeschneiderter Rennbolide, in dem der falsche Fahrer sitzt. Unter der Projektionsfläche Strache wären pauschalierende Sujets wie der kriminelle Ausländer oder der böse Moslem noch medial-politisch ausgeschlachtet worden. Kontroversen und Anfeindungen hätten den politischen Diskurs dominiert. Doch nun? Gähnende Leere, als wolle man sagen: Ja, ist schlimm, aber der Nepp ist eh ungefährlich.

Des Mentors Umklammerung

Das Verhältnis des 38 Jahre alten Nepp zum 51-jährigen Strache ist widersprüchlich. Inhaltlich ist man mehr oder weniger auf einer Linie, menschlich ist die Beziehung vielschichtig. Strache fühlt sich von seinem ehemaligen politischen Schützling, dem "lieben Dominik", verraten und verkauft, Nepp muss sich aus der Umklammerung seines ehemals allmächtigen Mentors "dem Heinz-Christian", lösen.

Nepps Strategie ist es, Strache als selbstbezogenen Lügner darzustellen, der selbstverschuldet mit überbordenden Problemen kämpft, der nicht weiß, ob Anklage gegen ihn erhoben wird und sich um sein politisches Kerngeschäft nicht kümmern kann.

Strache hingegen kultiviert die Opferrolle. "Ihr habt hier wirklich eine Eiseskälte walten lassen in der Partei", so der Ex-FPÖ-Chef. Man sei nach dem "politischen Attentat" nicht hinter ihm gestanden. Strache setzt außerdem alles daran, der Öffentlichkeit eine Vater-Sohn-Beziehung zu vermitteln. Eine Idee, die plausibel scheint, war doch Nepp schon vor 15 Jahren immer in Straches unmittelbaren Umfeld zu finden.

Im Rahmen eines ORF III-Duells trafen beide am 2. Oktober aufeinander, eine denkwürdige, untergriffige Begegnung, die Moderatorin Ingrid Turnher an eine "öffentliche Paartherapie" erinnerte. Deutlich spürbar für alle die Enttäuschung Straches, des "Verratenen", der nun zur Einsicht kommen muss, eine Schlange an seiner Brust genährt zu haben. "Die Anpatzungen und der Verrat gehen ja leider auch von dir aus", klagte Strache vor den TV-Kameras. Dem Ex-FPÖ-Chef wird unter anderem vorgeworfen, private Ausgaben als Parteispesen abgerechnet zu haben.

Traute Einigkeit

Laut Strache habe ein ehemaliger Leibwächter angegeben, ohne sein Wissen derartige "Umwandlungen" getätigt und Nepp darüber unterrichtet zu haben. "Was hast du da für eine Rolle gespielt?", so ein bitterer Strache. "Ich habe fast den Eindruck, du bist da involviert." Etwas theatralischer Zusatz: "Auch du, mein Sohn Brutus."

Wie so oft zog Strache auch hier wieder das Vater-Sohn-Bild heran. Dabei vermittelt er aber erfolgreich das Gegenteil der Realität. Denn eigentlich ist es ja Strache, der - mehr offen als verborgen - hofft, quasi als verlorener Sohn wieder mit offenen Armen in seiner alten FPÖ-Familie empfangen zu werden. Etwas, womit auch im FPÖ-Lager so mancher heimlich spekuliert.

So war es denn auffällig, wenn auch nachvollziehbar, dass Nepp und Strache in Diskussionen und Konfrontationen, wie jener am 2. Oktober, auf beinahe penetrante Art per Du waren. Im Rahmen einer Debatte im Ö1-"Klartext" am 9. September trat die traute Einigkeit der beiden besonders zutage. Beide Politiker waren über weite Strecken einer Meinung und demonstrierten das auch. Einigkeit herrschte vor allem in der Kritik an den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung. Beide sprachen von "Angst- und Panikmache" und gerieten auch sonst an diesem Abend kein einziges Mal aneinander.

Zuletzt gab es ebenfalls Nettigkeiten: In der Abschlussrunde der Elefantenrunde am Dienstag attestierte Strache Nepp, dass dieser ein "liebevoller Familienvater" sei, der "liebevoll und herzlich mit seinen Kindern" umgehe.

Letztlich sind Nepp und Strache auch bei der Wahl voneinander abhängig. Vom Wahlergebnis des einen wird das politische Schicksal des anderen mitbestimmen. Dominik Nepp wird bei der Wien-Wahl verlieren. Soweit sind sich alle Analysten einig. Doch wie sehr er verliert, hängt von Strache ab. Die Wien-Wahl ist wahrscheinlich Straches letzte Chance, noch einmal den Sprung auf die politische Bühne zu schaffen. Gelingt ihm das nicht, dürfte Dominik Nepp die empfindliche Niederlage, die ihm bevorsteht, glimpflich überstehen. Immerhin hätte er über seinen ehemaligen Meister triumphiert. Und da mit dem Erzrivalen beim nächsten Mal nicht zu rechnen ist, wäre er der Mann, der den Wiederaufbau der Wiener FPÖ angehen könnte.

Rückkehr im Triumphzug?

Schafft Strache hingegen den Einzug, ist Nepp zusätzlich zum Wahlverlierer auch noch jener Mann, der Strache nicht Paroli bieten kann. Sein Verbleib an der Wiener FPÖ-Spitze wäre damit zumindest umstritten. Strache hingegen könnte weiter an seiner freiheitlichen Legende feilen und seinen ehemaligen Mitstreitern aufzeigen, dass er allein so viel wert ist, wie die halbe FPÖ. Damit würden denn auch in der FPÖ die Stimmen lauter, die Türe für Strache wenigstens einen Spalt zu öffnen, um in den Schoß der Familie zuurückzukehren. Was das für seinen politischen Ziehsohn wiederum bedeuten würde, steht in den Sternen.