)
Wiener Zeitung:2004 haben Sie gesagt: "Theaterdirektor möchte ich nie werden" - nun sind Sie´s doch. Wie haben Sie in Ihre Aufgabe hineingefunden? | Robert Meyer: Irgendwann sagt man so etwas, aber das ist lange her. Jetzt habe ich mir genau überlegt, ob ich das machen will und kann. Ich finde es einfach aufregend, wenn man immer wieder etwas Neues beginnt. Das ist nun, gebe ich zu, vom Schauspieler zum Operndirektor ein extremer Schritt. Jetzt bin ich seit September hier in der Volksoper, und die neue Aufgabe macht mir sehr viel Freude.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Als Bayer gehen Sie mit zwei österreichischen Heiligtümern um: Als anerkannter Nestroy-Darsteller mit dem Volksdichter und jetzt als Direktor mit der Operette, die ja das Zentrum der neuen Volksoper bilden soll.
Wir sind das einzige Haus in Wien, das dieses Genre bedient. Die Operette muss hier gepflegt werden. Es ist allerdings nicht abzustreiten, dass das Operetten-Genre auch das schwierigste ist. Es gibt nämlich zu wenige Regisseure, die die Operette wirklich ernst nehmen und lieben. Ich sage immer: Wenn man sie nicht ernst nimmt, sollte man lieber die Finger davon lassen.
In den letzten Jahren gab es einige Misserfolge im Operettenbereich in der Volksoper - wie macht man es richtig?
Ich glaube, dass es Operettenproduktionen, auch hier in der Volksoper, gibt, die sich weiß Gott sehen lassen können. Ich versuche, an das Haus Handwerker als Regisseure zu engagieren. Man muss sein Handwerk beherrschen, um es erfolgreich ausüben zu können. Wenn ein junger Regisseur daherkommt und sagt, "mach ma halt eine Operette als Fingerübung für die Oper", dann finde ich das absolut falsch: Eine Operette zu inszenieren, ist mindestens so schwer wie eine Oper.
Wenn Sie "Handwerk" sagen, ist das dann auch ein deutliches Signal gegen das sogenannte Regietheater?
Der Begriff "Regietheater" hat einen schalen Beigeschmack. In den Augen des Publikums bedeutet es, dass sich ein Regisseur in einem Stück austobt, sodass die Inszenierung schlussendlich nichts mehr mit dem Stück zu tun hat. Aber ein Theater ganz ohne Regie gibt es nicht, jede Vorstellung braucht einen Regisseur. Das ist für mich Regietheater. Nur sollte man den Regisseur nicht als Ersten bemerken, wenn man das Stück ansieht. Am wichtigsten sind das Stück und die Akteure. Und dann kommt der Regisseur, natürlich mit seinen eigenen Gedanken, seinem eigenen Zugang.
Das heißt, Sie wollen bloß einen Hauch von Innovation. Denken Sie da auch daran, dass Sie die konservativeren Kreise im Publikum nicht vergrämen wollen?
Ich will überhaupt niemanden vergrämen. Am liebsten wäre es mir, wenn alle - auch die, die Operette am liebsten wie vor 30 Jahren inszeniert sehen würden - sich ein bisschen für etwas Neues öffnen. Jede Zeit hat ihren eigenen Zugang zu den Werken.
Ihr erstes Saisonprogramm steht inhaltlich in der Volksopern-Tradition, bringt buchstäblich Volksopern.
Alle neuen Produktionen, die wir machen, werden in deutscher Sprache gesungen. Nur hat es jüngst auch Werke in Originalsprache gegeben, wie die "Turandot", die ich so lassen werde.
Wenn man Ihren Spielplan anschaut, haben die Stücke alle die Breitenwirksamkeit gemeinsam. Früher wurde hier auch eine Reihe von Werken gespielt, deren Komponisten im NS-Regime verfemt waren - was passiert mit diesen Produktionen?
Diese Werke, die ein sehr eingeschränktes Publikum haben, sind bereits abgespielt. Jeder, der das sehen wollte, hat es gesehen. Ich wollte im ersten Jahr einen Spielplan, der ein breites Publikum anspricht. Natürlich will ich, dass die Auslastung steigt, die Einnahmen steigen. Ich weiß aber auch, dass Werke des 20. Jahrhunderts ganz wichtig für das Haus sind, dass wir da eine Verantwortung haben. Ich habe bereits ein Werk für die Spielzeit 2008/09 vorgesehen. Ich finde es wichtig, zu zeigen, dass wir nicht nur ein Operettenhaus sind.
Gibt es für die gewünschte Auslastungssteigerung (in der aktuellen Saison liegt der Wert bei 79 Prozent, Anm.) einen Richtwert?
Nein, um Gottes willen, ich werde keine Zahl nennen. Das wäre das Schlimmste, was man machen kann. Nur eines: Steigern will ich die Auslastung auf alle Fälle.
Sie haben gesagt, dass Sie sich neue Namen für die Operetten-Regie wünschen. In dieser Saison haben Sie, wie es scheint, auf Ihre Kontakte gesetzt. Überlegen Sie, in Zukunft auch zu reisen und fremde Produktionen anzusehen?
Das mache ich jetzt auch schon, aber die wirklich guten Operettenregisseure wachsen nicht auf den Bäumen. Für "Orpheus in der Unterwelt" haben wir eben zu proben begonnen, Helmut Baumann, ein Altmeister, führt Regie. Er ist ein klassischer Handwerker, versucht aber auch, frischen Wind hineinzubekommen. Beverly Blankenship, die ich vom Schauspiel her kenne, führt bei "Das Land des Lächelns" Regie - sie ist ebenfalls eine Handwerkerin.
Sie holen viele Schauspielerkollegen ans Haus, setzen auf Erfolgsproduktionen wie "Die Weberischen", wo sie die Cilly spielen.
Wenn Sie mich auf "Die Weberischen" ansprechen - das ist absolut ein Stück, das in die Volksoper passt. Es war ein unglaublicher Erfolg in der Halle E des Museumsquartiers, Leute sprechen mich noch immer darauf an.
Hat diese Art der Saisonplanung mit Zeitdruck zu tun oder wollten Sie in der ersten Spielzeit auf Nummer sicher gehen?
Es war tatsächlich eine kurze Planungszeit. Es ist aber unter keinen Umständen ein Notprogramm entstanden. Wir bringen neun neue Produktionen ans Haus!
Sie stehen selber viel auf der Bühne - bei Soloprogrammen, in "Orpheus" oder "My Fair Lady". Wie managen Sie das?
Das werde ich sehen. Ich stehe aber nicht so wahnsinnig viel auf der Bühne. Im "Orpheus" bin ich ja nur Zweitbesetzung, werde wahrscheinlich nur zweimal auftreten. Ich mache viermal das Soloprogramm "Tannhäuser in 80 Minuten", weil wir probenbedingt manchmal etwas Leichtes brauchen, für das wir nicht umbauen müssen.
Von Ihnen erwartet man eine glücklichere Zusammenarbeit mit der Politik, als sie Ihrem Vorgänger Rudolf Berger gelang. Ex-Kunststaatssekretär Franz Morak, einst auch Ihr Schauspielkollege, hat Sie bestellt, aber wie geht es Ihnen mit der neuen Kulturministerin Claudia Schmied?
Ich habe bereits Gespräche mit Frau Minister Schmied gehabt, und habe, glaube ich, einen guten Draht zu ihr. Alles andere wird sich erst zeigen.
Als bekannt wurde, dass die Bundestheater-Subventionen wider Erwarten heuer nicht angehoben werden, sondern erst 2008, und zwar um fünf Millionen Euro, war der Ärger vieler Direktoren groß. Sie selbst sprachen positiv von einem "ersten wichtigen Schritt" - ist das nicht eine Art von Musterschülerverhalten?
Nein, das ist kein Musterschülerverhalten. Aber dem breiten Publikum ist dieses Gerede völlig wurscht. Es geht den Leuten auf die Nerven, wenn ständig nur übers Geld gesprochen wird. Dass wir es brauchen, ist etwas anderes. Aber ich will die Budgetdebatte nicht zu Tode quatschen.
Geld wollen Sie also, aber nicht lauthals danach schreien?
Wir wollen in erster Linie über künstlerische Dinge reden. Dass die Bundestheater im Jahr 2008 lieber zehn statt fünf Millionen Euro gehabt hätten, ist klar. Aber fünf Millionen sind ein erster Schritt. Ich hoffe doch, dass sich die Politiker irgendwann einmal Gedanken darüber machen, dass es seit 1999 überhaupt keine Aufstockung der Subventionen gegeben hat.
Ihr Vorgänger sagte, er hätte gerne zwei Millionen Euro pro Jahr mehr für das Haus. Sie haben anfangs gemeint, Sie bräuchten nicht mehr Geld. Wie sehen Sie das jetzt?
Natürlich braucht das Haus mehr Geld. Sie müssen sich vorstellen, wenn ich eine Lohnerhöhung mache, kostet das eine halbe Million Euro. Die kriege ich aber nicht, zumindest bis jetzt. Wenn ich das Geld vom Budget nehme, werden irgendwann die finanziellen Mittel für die Kunst weniger.
Könnte es also doch sein, dass Sie in zwei oder drei Jahren schon etwas lauter schreien?
Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Ich hoffe zumindest, dass ich in ein paar Jahren nicht lauter schreien muss.
Staatsoperndirektor Ioan Holender möchte die Bundestheater-Subventionen auch in Zukunft nach dem Verteilungs-Schlüssel aufteilen, der durch eine Gesetzesnovelle möglicherweise hinfällig wird. Sie haben jüngst erklärt, man sollte die zusätzlichen fünf Millionen Euro nach Bedarf aufteilen. Sind Sie der Ansicht, dass die Staatsoper zu viel Geld bekommt?
Ich will den Schlüssel überhaupt nicht antasten. Es geht uns einzig und allein um die fünf Millionen, die es 2008 zusätzlich gibt.
Aber wenn der Schlüssel hinfällig wird, könnte es zur heißen Schlacht am kalten Büffet kommen.
Es kann den Kampf nur innerhalb der Holding geben. Ich hoffe, dass man es so angeht, dass wir keine Wellen in der Öffentlichkeit schlagen.
Sie haben angekündigt, durch Ihre Popularität Sponsoren gewinnen zu wollen. Ist Ihnen schon etwas gelungen?
Wir sind dabei, weil Sponsoren wichtig für uns sind. Wir sind auf einem guten Weg, das Burgtheater und die Staatsoper haben natürlich mehr Sponsoren. Diese zwei Palazzi auf der Ringstraße sind sicher für viele Sponsoren interessanter als die Volksoper am Währinger Gürtel. Aber wir hoffen, dass wir durch unser Programm interessanter geworden sind.
Stört Sie die Underdog-Rolle, die die Volksoper spielt?
Überhaupt nicht, wir empfinden unsere Rolle auch nicht so. Die Volksoper ist ja auch nicht irgendein Theaterchen, sie ist das zweitgrößte Opernhaus des Landes. Ich fahre momentan auf dem Weg zur Volksoper am Burgtheater vorbei und weine ihm keine Träne nach.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Ioan Holender? Abgesehen davon, dass Sie in der Staatsopern-"Fledermaus" sein "Frosch" waren?
Das haben Sie schön dazu gesagt. Es ist ein sehr gutes, ich hoffe, dass das so bleibt. Es ist natürlich, dass das Verhältnis von einem Theaterdirektor zu seinem Schauspieler ein anderes ist als das zu einem anderen Theaterdirektor.
Im Sommer steht der neue Staatsoperndirektor fest - welche Erwartungen haben Sie an die Partnerschaft mit ihm?
Ich warte mit Spannung den Juni ab, angeblich erfahren wir´s dann. Das einzige, was ich mir erhoffe, ist, dass wir eine gute Zusammenarbeit haben.
Matthias Hartmann, kurz nach Ihrer Bestellung von Franz Morak zum neuen Burgtheater-Direktor designiert, wird 2009 mit seiner Arbeit beginnen. Sie haben sich ja über seine Bestellung recht gefreut.
Ich kenne Matthias Hartmann von der Arbeit, weil er am Burgtheater mehrfach inszeniert hat. Er ist in Zürich sehr erfolgreich.
Sie selbst sind ja gerade vom Burgtheater karenziert . . .
Ja, solange ich hier an der Volksoper einen Vertrag habe, also für fünf Jahre.
Könnte es sein, dass man Sie und Franz Morak wieder einmal gemeinsam auf der Bühne sehen wird? Im "Spiel der Mächtigen" vielleicht?
Das haben wir schon hinter uns. Ich glaube ganz ehrlich, dass Franz Morak nicht mehr auf die Bühne zurückkehren wird. Wenn man einmal Kunststaatssekretär war und Kultursprecher einer Partei ist . . . Ich glaube auch nicht, dass das sein großer Wunsch ist.
Ist es für Sie nicht beängstigend, dass in der Volksoper zwei Direktoren vorzeitig gegangen sind?
Sogar drei! Klaus Bachler wurde Direktor des Burgtheaters. Dominique Mentha hat sich offenbar hier am Gürtel nicht wirklich wohl gefühlt. Und mein Vorgänger Rudolf Berger geht auch ein Jahr vor Vertragsende. Aber das beunruhigt mich gar nicht, weil ich mit einer großen Lust und Freude die Arbeit angefangen habe. Ich sage immer: Ich möchte wieder einmal ein Langzeitdirektor werden!
Robert Meyer
Robert Meyer wurde 1953 in Bad Reichenhall geboren und absolvierte seine Schauspielausbildung am Mozarteum Salzburg. Während des Studiums spielte er bereits erste Rollen am Salzburger Landestheater. Seit 1974 ist er am Burgtheater engagiert, wo er als Schweizerkas in Bertolt Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder" debütierte. Seither spielte er über 90 Rollen, hauptsächlich in Nestroy-Stücken, aber auch den Thersites ("Troilus und Cressida"), Zettel ("Ein Sommernachtstraum"), Wurm ("Kabale und Liebe"), Dr. Ebenwald ("Professor Bernhardi"), Dr. Maurer ("Das weite Land"), den Ehemann ("Reigen"), Chandebise und Poche ("Ein Floh im Ohr") sowie den Frosch in der "Fledermaus".
1988 bis 1998 arbeitete Meyer als Schauspieler und Regisseur bei den Sommerfestspielen in Reichenau und war bei den Salzburger Festspielen als Dünner Vetter im "Jedermann" zu sehen. Darüber hinaus inszenierte er am Grazer Schauspielhaus und bei den Operettenfestspielen Bad Ischl. An der Volksoper in Wien trat er als Sancho Pansa ("Der Mann von La Mancha") auf. Dazu kommen zahlreiche Soloprogramme, wie z.B. "Reisende, Meidet Bayern!" und ein Karl Valentin-Abend sowie Arbeiten für Film ("Herr Ober" und "Die Ameisenstraße") und Fernsehen ("Tatort").
Robert Meyer, der den Titel Kammerschauspieler trägt, ist ab der Saison 2007/2008 Direktor der Volksoper Wien.