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Seit 2017 flohen 750.000 Rohingya vor den Massakern in Myanmar nach Bangladesch. Eine Rückführung ist aussichtslos.
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"Wir müssen uns endlich mit den tiefgreifenden Wurzeln des Problems befassen." Aussichtsloser hätte die scheidende UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet den Wunschgedanken, dass für die prekäre Situation der Rohingya eine Lösung gefunden werde, nicht umreißen können. Bachelet besuchte Mitte August das riesige Flüchtlingslager Cox’s Bazar im Südosten von Bangladesch. Dort befinden sich Hunderttausende der vertriebenen muslimischen Minderheit. Heute vor genau fünf Jahren begann eine Militärkampagne gegen sie: Gräueltaten mit Massentötungen und sexueller Gewalt. Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht und Menschen lebendig in ihren Häusern verbrannt.
Diskriminierung, Hunger, Gewalt, Willkür und Aussichtslosigkeit nehmen zu. Große Sorge äußerte Bachelet auch über die zunehmende Anti-Rohingya-Rhetorik in Bangladesch, die Stereotypisierung und Sündenbockstellung der Rohingya als Quelle von Verbrechen und anderen Problemen. Ihr Herkunftsland Myanmar ist überwiegend buddhistisch, während die Rohingya eine sunnitisch-muslimische Ethnie sind. Bangladesch ist mehrheitlich muslimisch.
Kein Weg zurück
Die Regierungschefin des am dichtest besiedelten Landes der Welt, Sheikh Hasina, jedenfalls betonte, dass die Rohingya Staatsangehörige von Myanmar seien und zurückgebracht werden müssen. Die politische Situation in Myanmar jedenfalls sei ausgesprochen instabil und die Bedingungen für Sicherheit und freiwillige Rückkehr äußerst schlecht, so Bachelt. Die Lage vor Ort hat sich auch Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von "Care Österreich", angesehen. Die Lage sei sehr bedrückend. Auch sie bezweifelt eine "nachhaltige Akzeptanz" im Gastland, das auf internationale Hilfe wartet.
Die Zukunft der Rohingya scheint düster. Die Geschichte ihrer Verfolgung ist lange: Seit der Unabhängigkeit Myanmars vom britischen Kolonialismus 1948 werden sie systematisch verfolgt. 1982 erklärte die burmesische Regierung ihre Staatenlosigkeit. Damit sind sie auch de facto ohne Rechte. Kein Land in der Region will sie bei sich haben: Indonesien gewährt immer wieder und auch nur nach internationalem Druck und unter Betonung der Menschlichkeit die Einreise von wenigen, die meist an Bord von havarierten Booten kommen. Für Indien sind sie "illegale Ausländer", die zunächst in einem Internierungslager festgehalten und danach ausgewiesen werden.
Andere Länder wie Thailand und Malaysien, die über den Golf von Bengalen zu erreichen sind, halten sich bedeckt und drängen Boote zurück. Der Grundtenor: Rohingya sind unerwünscht. Die Hauptlast bleibt also an dem bitterarmen Land hängen, das in den letzten Jahren immer wieder "Zwangsumsiedelungen" betreibt. Es wurden bereits fast 20.000 Angehörige der staatenlosen Minderheit auf Bhasan Char gebracht. Diese 60 Kilometer vom Festland Bangladeschs entfernte Insel liegt in einem Gebiet, in dem es häufig starke Wirbelstürme gibt. Bangladesch will letztlich 100.000 Menschen auf der nur 40 Quadratkilometer großen Insel, die nur knapp aus dem Meer ragt, unterbringen. Jene, die dort landen, dürfen nicht zurück.
Bereits 2013 hat die UNO die Rohingya als eine der meistverfolgten Minderheiten der Welt eingestuft. Bis heuer hat es gedauert, dass die USA die Unterdrückung der Rohingya formell als "Völkermord" bezeichnen.
Tatbestand: Völkermord
Die Junta in Myanmar wies diese Einstufung kategorisch zurück und bezeichnete sie als "realitätsfern". Vor zwei Jahren hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag Myanmar in einem Zwischenurteil zum sofortigen Schutz der Rohingya verpflichtet. Die mittlerweile inhaftierte ehemalige Regierungschefin Aung San Suu Kyi wies sämtliche Vorwürfe entschieden zurück. Sie erklärte nur, einige Rohingya-Flüchtlinge hätten das Ausmaß der Gewalt womöglich "übertrieben".
Bei einer neuerlichen Völkermord-Klage vom Juli 2022 trat Gambia als Kläger auf. Das afrikanische Land beruft sich auf die Völkermordkonvention von 1948 und tritt im Namen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit auf. Ein Termin für das Hauptverfahren steht in weiter Ferne. Die Militärs in Myanmar gehen bis auf weiteres auch straflos für den Tatbestand des Genozids aus.