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Rom statt Brüssel als Instanz

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Papst-Besuch überstrahlt Ermahnungen der EU-Kommission an polnische Regierung.


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Krakau/Brüssel. Den Brief aus Brüssel überstrahlt der Besuch aus Rom allemal. In Polen wird der katholische Weltjugendtag gefeiert. Bis zu eineinhalb Millionen Menschen werden zu dem sechstägigen Treffen erwartet, und einer der wichtigsten Gäste ist gestern, Mittwoch, in Krakau eingetroffen: Papst Franziskus. Gebete und Messen mit den Jugendlichen stehen auf seinem Programm, aber auch ein Besuch im ehemaligen NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau sowie am Wallfahrtsort Tschenstochau. Monatelang haben sich die Sicherheitsbehörden auf das Großereignis vorbereitet, hat die nationalkonservative Regierung in Warschau auf dessen Bedeutung hingewiesen. So reiste nicht nur Staatspräsident Andrzej Duda nach Krakau sondern auch Premierministerin Beata Szydlo.

Worauf sich die Staatsspitze hingegen nur ungern einstellen wollte, waren kritische Worte des Kirchenoberhaupts. Ob die Aufnahme von Flüchtlingen, interreligiöser Dialog, die Einstellung zur Homosexualität - bei all dem unterscheiden sich die Meinungen des Papstes von denen des konservativen Flügels in der polnischen Kirche, auf den sich wiederum so mancher Regierungspolitiker beruft. Ein Appell blieb in Polen aber nicht aus. Franziskus forderte "die Bereitschaft zur Aufnahme derer, die vor Kriegen und Hunger fliehen".

Kurz zuvor hat der Papst festgestellt, dass die Welt im Krieg sei, "weil sie den Frieden verloren hat". Er spreche aber nicht von einem Kampf der Religionen: Es sei ein Krieg um Interessen, um Geld, um Ressourcen der Natur.

Doch die Ängste zu besänftigen, die das in der Bevölkerung auslösen mag, sieht die polnische Regierung nicht unbedingt als vorrangig an. Stattdessen betonte Premier Szydlo vor kurzem erneut, keine Schutzsuchenden in nennenswerter Zahl in das Land zu holen. Kritik von außen an ihrem Vorgehen und ihrer Position lässt sie nicht gelten.

Das gilt auch für Ermahnungen aus Brüssel. Denn just am Tag des Eintreffens von Papst Franziskus hat die EU-Kommission beschlossen, im Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen einen Schritt weiter zu gehen. Sie schickt Empfehlungen an die Regierung, die nun drei Monate Zeit hat, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Diese betreffen vor allem das Verfassungsgericht, dessen Funktionsfähigkeit zuletzt durch umstrittene Personalbesetzungen sowie Reformpläne eingeschränkt war.

In Warschau sorgt die Entscheidung der Kommission für Unmut. Die Brüsseler Behörde gefährde ihre Autorität, hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums. Ihr Vorgehen lasse nämlich Fragen nach der "loyalen Zusammenarbeit" mit den Mitgliedstaaten aufkommen. Außerdem sei das neue Gesetz zum Verfassungsgericht noch gar nicht in Kraft.

Zwist um Verfassungsgericht

Den Entwurf dazu hat der Sejm, das polnische Parlament, allerdings bereits in der Vorwoche angenommen. Einige Änderungen berücksichtigen die Kritikpunkte von Europarat und Kommission. So sollen die Eingriffsrechte des Staatspräsidenten geringer sein als ursprünglich geplant. Auch müssen die Richter Beschlüsse nicht mit Zwei-Drittel-Mehrheit fällen, wie vorgesehen. Es reicht eine einfache Mehrheit.

Doch nicht alle Bedenken seien ausgeräumt, stellte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans klar: Trotz des seit Monaten geführten Dialogs "wurden die wichtigsten Probleme, die die Rechtsstaatlichkeit in Polen gefährden, unserer Ansicht nach nicht gelöst". Es geht dabei um die Besetzung von Richterposten sowie die Veröffentlichung von Urteilen des Tribunals.

Im März hatte das Gericht nämlich die geplanten Reformvorschläge in eigener Sache als verfassungswidrig bezeichnet. Doch die Regierung weigerte sich, diesen Spruch zu veröffentlichen. Dies und die Unklarheiten bei der Zusammensetzung des Gremiums führen dazu, dass das Tribunal teilweise in einer rechtlichen Grauzone agiert. Daher empfiehlt die Kommission nicht zuletzt, das März-Urteil zu publizieren sowie sicherzustellen, dass auch künftige Entscheidungen "systematisch" veröffentlicht werden. Darauf sollten weder die Exekutive noch die Legislative Einfluss nehmen. Generell müsse das Tribunal die Möglichkeit haben, Gesetzesentwürfe auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, teils schon vor Inkrafttreten einer Novelle.