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Rom: Streit um Faschisten-Gesetz

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Abgeordneter: "Schande für Italien." | Neuer Anlauf im Jahr 2010. | Rom/Wien. Nicht alles war schlecht unter dem Faschismus, denkt sich offenbar die italienische Regierung. Mit einem Not-Dekret hat sie die Abschaffung eines Gesetzes aus dem Jahr 1923 verhindert, mit dem die Verwendung deutschsprachiger Ortsnamen in Italien verboten wurde.


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"Das ist eine Schande, es ist peinlich und schlecht für das Renommee Italiens", sagte der Südtiroler Abgeordnete Karl Zeller im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er hatte die Abschaffung des Gesetzes, das auf den faschistischen Senator Ettore Tolomei zurückgeht, erfolgreich im Parlament in Rom eingebracht.

In Italien existieren zig-Tausende Gesetze, die teilweise noch aus der Zeit des Faschismus datieren. Etliche davon haben heute praktisch keine Gültigkeit mehr. Mit darunter beispielsweise das Optionsgesetz für Südtiroler, mit dem diese zwischen der deutschen und italienischen Staatsbürgerschaft wählen konnten.

Parlament übergangen

In einem großen Kehraus wurden daher am Mittwoch 29.000 obsolete Bestimmungen abgeschafft. Mit darunter sollte das tolomeische Ortsnamen-Gesetz sein. Doch durch ein mit einer Dringlichkeitsklausel versehenes Dekret hat die Regierung in Rom in letzter Sekunde für den Weiterbestand des Regelwerks gesorgt. Für Zeller besonders ärgerlich ist, dass durch diesen Schachzug jegliche Einflussnahme des Parlaments verhindert wurde.

"Normalerweise tritt ein Dekret 15 Tage nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft", erklärte Zeller. Ist dieses allerdings mit einer Dringlichkeitsklausel versehen, so tritt es am Tag der Veröffentlichung in Kraft. Diese fand Dienstag statt, also einen Tag bevor die Löschung der obsoleten Gesetze anstand. "Ich als Parlamentarier habe somit keine Gelegenheit gehabt, meinen Standpunkt darzulegen", sagte Zeller. Die Regierung stelle sich gegen den Willen des Parlaments.

Durch das Dekret der Regierung sind theoretisch sogar zweisprachige Ortsschilder in Südtirol explizit verboten. Praktisch ändern dürfte sich nichts. "Wir halten uns an das Autonomiestatut, das Verfassungsrang hat", so Zeller. Dieses sichert Südtirol die Verwendung deutschsprachiger Ortsnamen.

Dennoch hält Zeller das Vorgehen der Regierung für empörend: "Dieses politische Signal ist gravierend." Der Abgeordnete kündigte an, den Fall vor das Verfassungsgericht und nötigenfalls auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen. "Dann wird dieses Gesetz dorthin gelangen, wo es hingehört: Auf den Müllhaufen der Geschichte."

Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder kündigte für 2010 einen weiteren Versuch an, die Ortsnamenfrage in Südtirol zu regeln. Derzeit sind in Südtirol nur die italienischen Ortsnamen offiziell zugelassen.