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Roma leiden unter der Finanzkrise

Von Nadine Papai

Politik

In Osteuropa wächst der Rassismus gegen die Volksgruppe. | Das Hauptproblem ist die geringe Bildung. | Wien. "Damit wir nicht mehr jene durchfüttern müssen, die nicht arbeiten wollen", lautete kürzlich ein Wahlslogan der Slowakischen Nationalpartei SNS. Unter dem steigenden wirtschaftlichen Druck kam es gerade in jüngster Zeit vermehrt zu rassistisch motivierten Anti-Roma-Kampagnen in der Slowakei, Ungarn oder Italien. Eine Methode, die Bevölkerung von den finanziellen Einbußen abzulenken, sieht darin Wolfgang Alteneder von der Synthesis Forschungsgesellschaft (www.synthesis.co.at), die sich mit Beschäftigung, Chancengleichheit und Stadtentwicklung befasst.


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Dass in Osteuropa rechtsnationalistische Parteien mit der wachsenden Feindseligkeit gegen speziell diese Gruppe Wählerstimmen bekommen wollen, lässt Alteneder historische Parallelen ziehen. "Die Geschichte wiederholt sich nie, aber gewisse Muster sind nicht von der Hand zu weisen."

Wolfgang Alteneder gehört zu den Vortragenden der Anfang nächster Woche im Sozialministerium stattfindenden Konferenz "Erfolgsgeschichten und Perspektiven der Roma und Sinti am europäischen Arbeitsmarkt". Organisator ist die Thara-Beratungsstelle für Roma und Sinti. Besonderes Augenmerk gilt der Situation der Roma in Zeiten der Wirtschaftskrise.

Der Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (Ecri) merkt an, dass Roma auch in Österreich nach wie auf allen Stufen des Bildungswesens unterrepräsentiert sind und eine hohe Schulabbruchsrate aufweisen. In Wien finden Roma schwerer eine Wohnung, ihre Kinder werden oft in Sonderschulen untergebracht. Laut Ecri ist das auch auf Vorurteile zurückzuführen, die von einigen Medien und Bevölkerungsgruppen verbreitet werden und auch das Verhältnis zur Polizei belasten.

Der größte Problembereich der Roma in ganz Europa ist Bildung - ein wesentlicher Faktor für ihre Zukunft am Arbeitsmarkt. Viele Roma sind wegen schlechter beruflicher Qualifikation arbeitslos. Zlatko Romanovic, der in seiner Jugend eine Sonderschule besucht und abgebrochen hat, ist heute arbeitslos und kein Einzelfall. Für seine Tochter will er bessere Zukunftsaussichten.

"Da meine Tochter mit drei Sprachen - Deutsch, Serbisch und Romani - aufwächst und auch nie von uns getrennt wohin gegangen ist, hat sie sich anfangs in der Schule besonders schwer getan", berichtet er. "Sie hatte Angst, auf Leute zuzugehen und antwortete der Lehrerin nur selten auf Fragen im Unterricht. Selbst wenn sie die Antworten wusste, hat sie einfach nichts gesagt. Einem Test nach sollte sie dann in ein sonderpädagogisches Zentrum kommen, was wir glücklicherweise verhindern konnten."

Romanovic räumt ein, dass sich manche Eltern zu wenig um die Ausbildung kümmern. "Die Kinder bleiben lange mit den Eltern am Abend auf und gehen oft am nächsten Tag nicht in die Schule. Wenn die Eltern berufstätig sind, ist das anders." Ähnliche Erfahrungen hat auch Robert Weinrich gemacht, ein Sinto aus Wien und frühpensionierter Lehrer mit 27 Jahren Berufserfahrung in sonderpädagogischen Zentren. Für viele Probleme macht Weinrich aber auch die belastete Geschichte der Roma verantwortlich.

"Es gibt ein hohes Misstrauen der Roma gegenüber jeglichen Behörden", berichtet Weinrich. "Durch die ständige Ausgrenzung über Jahrhunderte hinweg haben sie gelernt, ihr Leben anders zu bestreiten. So waren früher Berufe wie Hausieren oder Pferdehandel vor allem auch deswegen so verbreitet, weil ihnen das Ausüben anderen Berufe untersagt war. Es hat sich viel geändert, aber nach wie vor findet man es einfach sicherer, auf sich allein gestellt zu arbeiten." Wegen der Ausgrenzung sei Bildung allein nicht ausreichend. Robert Weinrich ist der erste Sinto in Wien, der ein Gymnasium besucht hat.

Konkurrenz um niedrige Jobs

Laut Alteneder ist es schwierig, Prognosen über die Roma am Arbeitsmarkt zu erstellen, da sie statistisch nicht erfassbar sind. Feststehe, dass die Krise jene härter trifft, die ein unterdurchschnittliches Bildungsniveau aufweisen. Arbeitsplätze mit einem niedrigen Qualifikationsprofil geraten mit Sicherheit unter Druck. "Es entsteht ein Konkurrenzverhalten um Arbeitsplätze."

Stefan Muncan konnte sich als Restaurantfachmann etablieren. Er arbeitet in einem Geschäft für balkanische Süßspeisen auf dem Sechshauser Gürtel. Zur Kundschaft des Familienbetriebs "Koka & Rada" gehören vor allem nicht- österreichische Kunden, berichtet der in Wien geborene Roma. "Wir haben einen eigenen Gewerbeschein für balkanische Süßspeisen gelöst. Wir wollten nicht Konkurrenz machen und haben eine neue Schiene entdeckt." Auch ihn trifft die Wirtschaftskrise. "Seit 2009 sind die Aufträge um 30 Prozent zurückgegangen."

Das Finden von Nischenmärkten könnte eine Strategie für Arbeitssuchende sein, die selbst Initiative ergreifen, sagt Alteneder. In Zeiten der Wirtschaftskrise werden jedoch die Konditionen für Startkredite verschlechtert.

www.thara.at