Bis Jahresende müssen EU-Länder Aktionspläne vorlegen. | Milliardenschwere Förderungen winken.
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Brüssel. Vor dem Sommer wurde die EU-Strategie für die stärkere Integration der Roma einstimmig beschlossen. Zu Jahresende wird es eine erste Bewährungsprobe für das Projekt geben, das Grundrechtekommissarin Viviane Reding und Sozialkommissar Laszlo Andor aus der Taufe gehoben haben. Denn bis dahin haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihre 27 nationalen Roma-Strategien vorzulegen, auf denen die EU-Strategie fußt.
Ursprung des neuen Anlaufs für die Roma waren die massenhaften Abschiebungen von Roma in deren Herkunftsländer Bulgarien und Rumänien. Weil sie EU-Bürger sind, ging Reding damals scharf mit Frankreich ins Gericht: Neben einem Verstoß gegen den EU-Grundsatz der Personenfreizügigkeit sprach sie auch von Verstößen gegen die EU-Grundrechtecharta.
Die Beiträge aus den Mitgliedstaaten zur Roma-Strategie will die Kommission auf ihre Übereinstimmung mit dem EU-Konzept abklopfen und die Umsetzung streng überwachen. Laut Brüssel gilt die erste Priorität der Schulbildung. Während im EU-Schnitt 90 Prozent der Kinder einen Grundschulabschluss haben, sind es bei den Roma nur 42 Prozent. Durch die Förderung früher Einschulung soll verhindert werden, dass sie von Schulen der Restbevölkerung ausgeschlossen werden. Den derzeit verbreiteten Sonderschulen, die nur Roma besuchen, wird große Mitschuld am schlechten Bildungsniveau gegeben.
Unternehmer-Föderung
Neben verstärktem Zugang zu Ärzten und Gesundheitsdienstleistungen sind die EU-Staaten auch bei der Einbindung der Roma in die Arbeitsmärkte gefordert. Aktuell werden die Roma-Arbeitslosenquoten auf das Vier- bis Fünffache ihrer Landsleute geschätzt. Helfen könnten Schulungsmaßnahmen sowie Unterstützung durch Geld und Fachwissen für die Gründung von Klein- und Kleinstunternehmen. Dafür könnten wie für den sozialen Wohnbau Förderungen der EU in Milliardenhöhe genutzt werden. Die Töpfe des Europäischen Sozialfonds und der Strukturförderungen sind für die Länder mit den größten Roma-Anteilen meist noch nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft.
Die EU-Strategie soll mittelfristig helfen, die verzweifelte Situation der Roma zu verbessern, die in einem EU-Dokument so beschrieben wird: Sie leben in tiefer Armut und sozialer Ausgrenzung, werden diskriminiert und von ihren Grundrechten abgeschnitten und haben keine Chance auf hochwertige Ausbildung und Arbeitsplätze, leben in Substandard-Behausungen, sind bei schlechter Gesundheit und haben daher eine deutlich niedrigere Lebenserwartung als ihre Landsleute.
Prominente Vertreter der Roma urgieren dennoch, die Unterstützung müsse nicht auf ethnischer Basis, sondern auf einer territorialen Annäherung basieren. In mehreren Mitgliedstaaten lebten die Angehörigen der Minderheit nämlich auch in den ärmsten Gebieten, erläutert Livia Jaroka. Sie ist die einzige Roma-EU-Abgeordnete und Parteigängerin des ungarischen Premiers Viktor Orban. "Die wirtschaftliche Eingliederung hat genauso wie die gesellschaftliche und soziale Integration der Roma eine wirtschaftliche Bedeutung. In einzelnen Ländern könnte die Integration der Roma die Wirtschaftsleistung um vier bis sechs Prozent steigern", ist sie überzeugt. Ähnlich hat auch Andor die Initiative beworben.
Die nach den französischen Abschiebungen gegründete "Roma-Task-Force" in der EU-Kommission unter Andor und Reding, soll sich um die Überwachung der Umsetzung der Roma-Strategie konzentrieren. Sollten Mitgliedstaaten abschwenken, drohen ihnen Vertragsverletzungsverfahren oder sogar die Zurückhaltung von Regionalförderungen. Im Fall der Massenausweisungen aus Frankreich vor einem Jahr blieben allerdings rechtliche Schritte aus.