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Römischer Politpoker

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

Tauziehen um Präsidentenämter in den Kammern. | Nachfolge von Präsident Ciampi muss geklärt werden. | Im Politpoker darüber, wer die italienischen Parlamentswahlen nun wirklich gewonnen hat, geht es nicht nur darum, ob Romano Prodi Silvio Berlusconi im Amt des Ministerpräsidenten ablöst, sondern auch um die Besetzung der Präsidentenämter in den beiden Parlamentskammern in den konstituierenden Sitzungen am 28. April. Und dann geht es am 12. und 13. Mai darum, wer zum Nachfolger von Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi gewählt wird, dessen siebenjähriges Mandat am 18. Mai endet.


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Seit den späten Sechzigerjahren, als die Democrazia Cristiana unangefochten an der Spitze aller Regierungen stand, war es Usus, dass der Präsident des Senates den Christdemokraten zustand und die Führung des Abgeordnetenhauses einem Vertreter der Sozialisten oder der KPI.

Als Berlusconi 1994 die Wahlen gewann, wurde mit dieser Tradition gebrochen und das Regierungslager stellte beide Präsidenten - Irene Pivetti im Abgeordnetenhaus und Carlo Scognamiglio im Senat. Scognamiglio wurde nur mit einer Stimme Vorsprung vor dem bis dahin tätigen Senatspräsidenten Giovanni Spadolini gekürt. Später landeten pikanterweise sowohl Pivetti als auch Scognamiglio im Lager der Berlusconi-Gegner. Auch bei den Wahlen 1996 und 2001 blieb es dabei, dass die Wahlsieger beide Präsidentschaften behielten.

Jetzt gibt es Spekulationen darüber, ob man nicht doch wieder zur alten Teilung zurückkehren sollte. Vor allem im Hinblick darauf, dass für die Wahl des neuen Staatspräsidenten eine breite Mehrheit angestrebt wird.

Der Nachfolger von Carlo Azeglio Ciampi wird von 1025 sogenannten "grandi elettori" (Großen Wählern) gekürt, den 630 Abgeordneten der Kammer, 315 Senatoren, 58 Vertretern der Regionen und den sieben Senatoren auf Lebenszeit. Das Prodi-Lager stellt 551 dieser "grandi elettori", kann also in den ersten drei Wahlgängen, in denen eine Zweidrittel-Mehrheit nötig ist, nicht allein entscheiden, auch nicht mit der Zustimmung der Senatoren auf Lebenszeit. Erst ab dem vierten Wahlgang, in dem der Präsident schon mit der absoluten Mehrheit von 513 Stimmen gewählt werden kann, hätte das Mitte-Links-Lager die erforderliche Mehrheit.

Traditionell wird der italienische Staatspräsident aber von einer großen Mehrheit bestimmt. Von den zehn bisherigen Präsidenten wurden nur Antonio Segni im Jahr 1962 und Giovanni Leone 1971 mit knappen Ergebnissen gewählt.

In den letzten Tagen wurden die Namen des früheren Regierungschefs Giuliano Amato und des früheren Kammerpräsidenten Giorgio Napolitano als ernsthafte Anwärter genannt. Obwohl der 85-jährige Ciampi erklärt hat, dass er nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung steht, mehren sich jetzt aber auch die Spekulationen, ob er nicht doch noch einmal Kandidat sein wird.