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Roquefort contra "Big Mäc"

Von Oliver Junker

Wirtschaft

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Wenn es stimmt, was die Beteiligten so sagen, dann hat der Streit um die US-Strafzölle auf französischen Edelpilzkäse die Ausmaße eines schlimmen Geiseldramas angenommen. Die Landwirte in

Frankreich seien "Geiseln" des Handelskonfliktes, klagt der Pariser Landwirtschaftsminister Jean Glavany. Der Chef von McDonald's in Frankreich, Philippe Labbe, sieht es genau andersherum: Seine

Imbisskette sei "Geisel" der Politik, moniert er.

Weil ihnen von den USA Strafzölle auf Roquefort, Pastete und Trüffel aufgezwungen wurden, haben die französischen Bauern einen regelrechten Kreuzzug gegen das gelbe "M" gestartet. Sie belagern

McDonald's-Filialen, verwüsten deren Baustellen und rufen zum Boykott auf. Beide Seiten klagen nun, sie seien schuldlos Leidtragende des Konfliktes, und beide Seiten haben vermutlich recht.

"Wir sind direkt von dem Handelskrieg um das hormonbehandelte Rindfleisch betroffen. Wir sind Opfer der amerikanischen Erpressung", sagt Alain Soulie, der Vorsitzende des Verbandes der

Schafsmilchproduzenten. Mit "Erpressung" meint er die hundertprozentigen US-Strafzölle auf EU-Produkte, die Washington Ende Juli als Antwort auf die Weigerung der Europäer verhängte,

hormonbehandeltes Rindfleisch zu importieren.

In Frankreich sind nun vor allem Roquefort-Käse, Gänseleberpastete und Trüffel betroffen. Es sei überhaupt nicht einzusehen, weshalb schlechtes Fleisch mit Qualitätsprodukten gleichgesetzt werde,

sagt Soulie. "Deswegen gehen wir gegen McDonald's vor."

In der Tat war es sein Verband, der die Bauern im südfranzösischen Roquefort-Departement Aveyron zum Protest gegen das Paradesymbol Amerikas ermunterte. Die Bauern zogen dort, wie sie sagten, gegen

die "Vorreiterfirma des Industriefraßes" zu Felde, verwüsteten die Baustelle einer McDonald's-Filiale und marschierten anschließend in einem Protestzug durch das Städtchen.

Vor zahlreichen anderen Filialen der Fast-Food-Kette in Frankreich versammeln sich in diesen Tagen immer wieder ebenfalls Dutzende Landwirte, versperren den Eingang etwa mit einer Wagenladung fauler

Äpfel und verteilen Käse oder Pasteten aus heimischer Produktion. Auf Flugblättern warnen sie, die Amerikaner wollten der ganzen Welt ihre Essgewohnheiten aufzwingen.

McDonald's-Chef Labbe sieht sich derweil als Opfer der Bürokraten in Brüssel und Washington. "Wir sind wie ein Sandwich zwischen zwei Monstern eingekeilt und müssen die Rechnung für einen Konflikt

bezahlen, für den wir in keiner Hinsicht verantwortlich sind", sagt er. Immerhin sorge die US-Kette in Frankreich für zahlreiche Arbeitsplätze und gebe etwa 45.000 Rinderzüchtern Aufträge. 200 Hektar

Weizenfelder und 2.000 Hektar Kartoffelfelder würden für McDonald's beackert, pro Jahr würden zudem 4.500 Tonnen Salat von den Gemüsefeldern im Südwesten Frankreichs abgenommen.

Der Gastwirt Luc Olivier in Dijon übt auf seine Weise Rache: Er erhöhte in seiner Kneipe die Preise für Coca-Cola um das Vierfache. "Französische Erzeuger werden dafür bestraft, dass sie französische

Waren produzieren", sagt Olivier. "Das ist ungerecht." Ein Fläschchen Cola kostet bei ihm jetzt umgerechnet knapp 8 Euro (105 Schilling).