Homosexuelle seit Jahrzehnten verfolgt. | Nun winkt Recht auf Partnerschaften. | Havanna. Mariela Castro ist ihre Heldin. Wenn Homo- und Transsexuelle weitgehend ungestört auf dem Malecon, der Uferpromenade Havannas, flanieren und verführen dürfen, dann verdanken sie das der Nichte des Maximo Lider Fidel und Tochter des gegenwärtigen Staatschefs Raúl Castro.
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Mariela Castro initiierte einen Gesetzentwurf, der Homo-Partnerschaften zulassen würde. Der Entwurf wird in den nächsten Wochen im kubanischen Parlament behandelt. Ein solches Gesetz wäre eine Revolution im Land des "Machismus-Leninismus". Aber: "Es geht nicht um eine Homo-Ehe", schwächt die Initiatorin ab. "Wir wollen niemanden vor den Kopf stoßen."
Sie denkt dabei an die alten Kampfgefährten ihres Vaters und ihres Onkels, denen die Homophobie der Anfangsjahre der Revolution im Blut steckt. Bis zu Beginn der 70er Jahre bedeutete offene Homosexualität den sozialen Ausschluss. Viele Schwule wurden in Arbeitslager geschickt. "Die Revolution wollte aus ihnen wahre Männer machen", sagt Mariela Castro.
Die Vorurteile sitzen tief
Sie selbst ist alles andere als eine Lesbe. Verheiratet und Mutter dreier Kinder, leitet sie das Nationale Zentrum der sexuellen Erziehung. Seit 15 Jahren versucht sie den Kubanern zu erklären, was diese gar nicht wirklich hören wollen. Ihr eigener Vater war allerdings einer der ersten im Land, der sich im Namen von Humanismus und sozialer Gerechtigkeit von der Homophobie abbringen ließ. Und der Maximo Lider, der große Frauenheld? "Mit Fidel habe ich selten darüber gesprochen", sagt seine Nichte ausweichend.
Doch es dürfte noch lange dauern, bis Kuba ein Paradies für Schwule und Lesben wird. Sergio kann ein Lied davon singen. In seiner Heimat draußen in der Provinz, in der er aufgewachsen ist, herrscht Nulltoleranz gegen Homosexuelle. "Die Homosexualität ist noch immer stigmatisiert in Kuba", sagt der 31-jährige.
Sergio bewundert Mariela Castro. "Aber die Kubaner sind nicht bereit, zwei Schwulen beim Küssen zuzuschauen." Männer sollten nach dem Selbstverständnis der Kubaner stark, männlich und heterosexuell sein. Wenn Sergio nicht gerade seiner Arbeit als Dermatologe nachgeht, besucht er gern "private Feste" - halbversteckte Schwulen- und Lesben-Treffen. Oder das Vedado, das moderne Zentrum der Stadt. An Samstagabenden tanzen dort bis zu 200 Homosexuelle im Innenhof. "Das ist einer der wenigen Plätze in der Stadt, an denen uns die Polizei nicht wegen Lärmbelästigung abholt." Sergio hat genug davon, morgens auf einer Polizeistation zu enden.
Der größte Treffpunkt der Homosexuellen Havannas freilich ist der Malecon. Die Auswahl ist groß für Verführer. Doch die Polizei in ihren blauen Uniformen ist unübersehbar. Offiziell soll sie für Ordnung sorgen. Sobald es aber zu laut wird, sammelt sie Homosexuelle ein. "Auf der Wache prasseln dann die Vorurteile auf uns nieder", erzählt Martin, einer der Flaneure auf dem Malecon. Dabei, sagt Sergio, seien die Polizisten "nicht wirklich böse. Aber sie sind aus der Provinz und haben noch nie Homos gesehen".
Seit kurzem ist die Polizei zurückhaltender auf der Uferstraße. Wohl eine Folge des sanften Wirkens von Mariela Castro. Als vor einigen Monaten der für den Abschnitt zuständige Polizeichef wechselte, legte sie beim Nachfolger gleich ein gutes Wort für die Homosexuellen ein. "Und er schien sehr, sehr empfänglich zu sein", lächelt sie. Die rosa Revolution auf Kuba kommt ohne laute Töne aus.