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Rosenkriege in der SPÖ

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Wenn ein Verteidigungsminister den Sozialminister zitiert und ein Bundeskanzler im Regen stehen bleibt, dann ist die Krise da: Alle drei gehören nämlich zur SPÖ.


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In Deutschland brauchte es nach Anbruch des 21. Jahrhunderts erst einmal eine extreme Linkspartei mit kryptokommunistischen Spurenelementen, bis die Sozialdemokraten programmgemäß die Orientierung verloren. Jetzt beobachtet das dortige Wahlvolk teils mit Hohn, teils mitleidig einen Parteichef namens Kurt Beck, der eine Gegenkandidatin zum amtierenden Bundespräsidenten aufbaut und offen damit kalkuliert, dafür die Stimmen der links-linken politischen Wilderer bekommen zu können, mit denen er sonst aber nie eine Koalition eingehen würde. Beck hat ein strukturelles Problem, das zu seinem Persönlichkeitsprofil passt.

Warum aber die österreichischen Sozialdemokraten drei Monate nach ihrer Niederlage in Niederösterreich und eine Woche vor ihrer bevorstehenden Niederlage in Tirol ohne jede Aufforderung von außen so sehr aus dem Häuschen geraten, dass sie sich und vor allem ihren Kanzler Alfred Gusenbauer als nicht zurechnungsfähig vorführen, gehört zu den Rätseln parteipolitischer Logik.

Die einfache Erklärung lautet: Die SPÖ-Basis dreht durch. Eine Verschwörungstheorie könnte nach den Erfahrungen mit der schwarz-blauen Koalition auch darauf hinauslaufen, dass jeder, der mit der ÖVP ein Regierungsbündnis schließt, über kurz oder lang eingeht. Die Schwarzen sind zwar nur noch an zweiter Position, aber sie tragen das Leichengift für den Regierungspartner in sich. Sie kommen gerade aus der Prosektur, wo ein blau-oranges Überbleibsel einer historischen Wendezeit zu sezieren war. Leute wie Wirtschaftsminister Martin Bartenstein verspritzen das Gift mit Sprühflaschen und sagen, es sei Tannenduft. Rein biologischer, beruhigt Umweltminister Josef Pröll.

Das Odeur der Pensionsautomatik hat innerhalb weniger Stunden, beginnend mit einer Sitzung des SPÖ-Präsidiums, die Fernsehpressestunde mit Verteidigungsminister Norbert Darabos nicht aussparend und vorläufig endend mit einer koalitionären Krisensitzung im Kanzleramt, alle eingenebelt, deren Herz links schlägt. Der SPÖ könne nicht zugemutet werden, den Wählern zu erklären, dass die Finanzierung eines Pensionssystems auch davon abhänge, um wie viele Jahre die Pensionisten statistisch länger leben als bisher.

Wo hat der sonst so vife Sozialminister Erwin Buchinger seinen Kopf gehabt, als er die Pensionsautomatik mit Bartenstein absegnete? In die Doppelmühle hat er seine Partei getrieben, denn während Bartenstein bereits über die Führungsschwäche von SPÖ-Chef Gusenbauer ätzt, lässt Buchinger erkennen, dass ihm eine wesentliche Voraussetzung fehlt, den Platz Gusenbauers eindrucksvoller auszufüllen als derselbe. Er hat mit der linken Gehirnhälfte gedacht, aber die olfaktorische Dimension der Politik vernachlässigt: Die Partei verlangt nach Stallgeruch.

Ist das Ende der Koalitionsregierung nahe oder hat bloß wie im Burgtheater eine weitere Stunde der nicht enden wollenden Rosenkriege Shakespeares angehoben? Gegen die erste Hypothese spricht, dass die ÖVP auch nicht viel mehr abzusondern hat als Giftspritzer. Und wenn ein Verteidigungsminister in der Fernsehpressestunde bestätigt, dass Buchinger dem SPÖ-Präsidium "glaubwürdig" bestätigt habe, dass die Pensionsautomatik keine Pensionsautomatik sei, dann kann sowieso wieder alles weitergehen wie bisher. Oder, wie Darabos mit Bezug auf die Fußball-EM und vermutlich unter Einrechnung seiner Eurofighter versicherte: Man sei auf alle Eventualitäten vorbereitet.

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