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"Rosetta" auf dem Höhepunkt

Von Eva Stanzl

Wissen
Aus 22,5 Kilometer Höhe soll die Sonde um 9.35 Uhr ihren Lander "Philae" abwerfen.
© ESA/Rosetta/NavCam

Am Mittwoch soll die Sonde auf dem Kometen "Tschuri" landen.


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Wien. Astronomen haben auf diesen Tag so gespannt gewartet wie seinerzeit auf die Mondlandung: Erstmals in der Weltgeschichte soll eine Sonde auf einem Kometen landen. Mit einem Schubs soll die Raumsonde "Rosetta" der Europäischen Raumfahrtagentur ESA pünktlich um 9.35 Uhr ihr Landegerät "Philae" aus 22,5 Kilometer Höhe über dem Kometen "67P/Tschurjumow-Gerassimenko" abwerfen. Danach soll der Lander in Schrittgeschwindigkeit auf den Kometen herabsinken und sieben Stunden später auf ihm aufsetzen. Gegen 17 Uhr soll feststehen, ob das ehrgeizige Unternehmen geglückt ist. Die ESA wertet die Landung als Krönung ihrer zehnjährigen "Rosetta"-Mission im All. Erstmals begleitet eine Sonde einen Kometen auf seinem Weg zur Sonne. Ihr Lander "Philae" ist der erste Forschungsroboter, der für einen "Ritt auf dem Kometen" gebaut wurde.

Am 2. März 2004 hatte "Rosetta", deren Gehäuse so groß wie ein Kleiderschrank ist und deren Solarpaneele eine Spannweite von 32 Meter haben, die Erde verlassen. Mit drei Swing-by-Flügen an Erde und Mars hatte die Sonde Schwung geholt und vergangenen August die Umlaufbahn ihres Zielkometen "Tschuri" erreicht. Am Dienstag vermeldete schließlich ESA-Flugdirektor Andrea Accomazzo im Satellitenkontrollzentrum in Darmstadt, dass für die Landung alles auf Schiene sei: Das Landegerät an Bord sei wie geplant eingeschaltet worden.

Auch in Wien herrschte gespannte Vorfreude. Mit der geplanten ersten Landung einer Sonde auf einem Kometen werde "Neuland betreten, und das Schöne ist, Österreich ist mit dabei", erklärte Infrastrukturminister Alois Stöger bei der Präsentation einer Simulation der Mission im neuen Planetarium des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien mit Verweis auf die heimischen Beteiligungen (siehe unten). Die Astrobiologin Pascale Ehrenfreund, Präsidentin des Wissenschaftsfonds, die an einem Experiment beteiligt ist, freute sich auf Resultate: "Unser Messgerät "Cosac" soll organische Stoffe auf dem Kometen identifizieren. Wir versuchen, Aminosäuren zu finden, die die Bausteine des Lebens darstellen", sagte Ehrenfreund. Sie warnte allerdings: Obwohl der ausgewählte Landeplatz "Agilkia" eben sei, könne niemand vorhersagen, wo genau "Philae" auftreffen würde. Herumliegendes Geröll könne das Mini-Labor von der Größe eines Kühlschranks kippen, was die Messungen beeinträchtigen würde. 20 Prozent des Geländes am ausgewählten Landeplatz seien aufgrund großer Hangneigung "nicht angenehm". Somit läge das Risiko, dass die Landung scheitert, bei 20 Prozent - und die Chancen auf Erfolg bei 80.

Dennoch wertet Ehrenfreund die Mission "auf jeden Fall als Erfolg". Bereits mehrere Forschungssonden sind nahe an Kometen vorbeigeflogen, etwa am berühmten Halleyschen Kometen bei dessen bisher letzter Annäherung an die Sonne 1986. "Rosetta" ist die jedoch erste Sonde, die genau messen kann, was bei der Entstehung des Kometenschweifs passiert, eben weil sie mitfliegt. "Je näher der schmutzige Schneeball an die Sonne kommt, desto mehr Gase verdampfen an der Oberfläche, die vom Sonnenwind weggeblasen werden und den Schweif bilden", erklärte NHM-Generaldirektor Christian Köberl.

Kometen sind Botschafter aus der Entstehungszeit des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren. Sie bestehen aus Eis, gefrorenem Gas und Staub. Ihre Erforschung kann neues Licht auf die Geschehnisse in der Frühzeit von Sonne, Erde und anderen Planeten werfen. Zudem sind manche Forscher der Ansicht, dass ein Teil des Wassers auf der Erde und organische Moleküle, die eine Schlüsselrolle bei der Entstehung des Lebens gespielt haben, von Kometen-Einschlägen stammen.

Hieroglyphen-Entschlüsselung

"Rosettas" Zielkomet war ursprünglich ein anderer: Die eine Milliarde Euro teure Mission sollte zum Kometen 46P/Wirtanen führen. Doch vor dem geplanten Start im Jänner 2003 gab es eine schwere Panne mit der damals neuen Version der europäischen Ariane-5-Rakete. "Rosetta" verpasste das Startfenster zum Kometen Wirtanen. Als Ersatz suchten die Forscher jenen Kometen aus, der 1969 von Klim Tschurjumow und Swetlana Gerassimenko entdeckt wurde. Seine Umlaufzeit um die Sonne liegt bei sechs Jahren und 203 Tagen, seine Rotation um die eigene Achse bei 12,4 Stunden. Die Sonde ist nach der ägyptischen Stadt Rashid (Rosetta) benannt. Dort wurde 1799 jener Stein gefunden, dessen Inschriften mit denjenigen auf einem Obelisken von der Insel Philae die Entschlüsselung der Hieroglyphen ermöglichte. Bevor Philae beim Bau des Assuan-Staudamms überflutet wurde, wurde der Tempel auf die benachbarte Insel Agilkia versetzt.