Über die österreichische Seele und ihre Untiefen wurde schon viel geschrieben und noch mehr geredet. Sie ist ja auch tatsächlich ein Prachtexemplar mit all ihren Widersprüchen. Zum Beispiel die Sache mit den Vorbildern.
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Nehmen wir Schweden, das sich auch in der Krise als Musterknabe präsentiert. Seit Bruno Kreisky selig, der die Kriegsjahre im skandinavischen Exil verbrachte, preisen linke Geister dieses sozialdemokratische Musterland; ganze Generationen von Politikwissenschaftern widmeten ihre Forschungen dem Ziel, Österreich zumindest ein klein bisschen schwedischer zu machen.
Gelungen ist das bis heute nur höchst unvollkommen. Der bewundernde Blick nach Norden wurde von den Errungenschaften des dortigen Sozialstaats offensichtlich so benebelt, dass die dazugehörigen Maßnahmenpakete nur höchst selektiv wahrgenommen wurden. Schwedens Politiker haben den Mut, ihren Bürgern reinen Wein einzuschenken, in Österreich drückt man sich bis zur letzten Minute (mitunter sogar bis in die Nachspielzeit), den Menschen den realen ökonomischen Preis für die Annehmlichkeiten zu sagen.
Pensionsreformen, höhere Abgaben oder exorbitante Steuern, etwa auf Alkohol, werden dann einfach als unvereinbar mit dem hiesigen Lebensgefühl erklärt. Die tapferen Schweden dagegen, die mindestens genauso gerne ein Gläschen heben, schlucken die Krot, weil sie wissen, dass man sich nicht nur die Rosinen herauspicken kann.
Ein anderes Lieblingsvorbild, wenngleich politisch dem schwedischen entgegengesetzt, ist die Schweiz mit ihren niedrigen Steuern für große Vermögen und dem beharrlichen Njet zu einer EU-Mitgliedschaft. Das gefällt natürlich auch manchem EU-kritischen Geist hierzulande und nicht zuletzt FPÖ und BZÖ. In der Schweiz wäre allerdings die in und um Wien herum mit Zähnen und Klauen verteidigte Parteien-Allmacht ein Ding der Unmöglichkeit. Und die direkte Demokratie der Eidgenossen ist nicht nur für die Politiker mühsam, sondern verlangt auch den Bürgern deutlich mehr politisches Engagement ab als in Österreich üblich. Sonst funktioniert sie nämlich nicht.
Also ganz oder gar nicht. Warum das die Österreicher nicht verstehen, kann wirklich nur die Tiefenpsychologie erklären.