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Rot-blaue Chimären

Von Werner Reisinger

Politik

Was kann die SPÖ mit ihrem Signal der Gesprächsbereitschaft an die FPÖ gewinnen?


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Wien.Jubelstimmung, "Yes we Kern"-Rufe. Ein interimistischer SPÖ-Geschäftsführer Christoph Matznetter, der Fragen nach Rot-Blau abweisend beantwortet. Eine rote Stadträtin Renate Brauner, die dabei zustimmend nickt. Kaum jemand glaubte nach dem - zumindest für die TV-Kameras offensiv zur Schau gestellten - Optimismus im Festzelt der SPÖ am Wahlsonntag, dass für die Partei von Kanzler Christian Kern etwas anderes als der Weg in die Opposition in Frage kommen konnte. Drei Tage nach der Wahl sieht die Wetterlage bei den Sozialdemokraten wieder anders aus.

Noch am Montag ließ sich Kern vom SPÖ-Bundesparteivorstand ein Mandat geben, mit allen Parteien Gespräche über eine mögliche Koalition zu führen - also auch mit der FPÖ. Gespräche auf Basis des bereits beschlossenen Wertekatalogs, wie man bei den Sozialdemokraten betont. Er wolle "keine Tür zuschlagen", sagte Kern, und "Zurufe von rechts oder links" werde man "getrost ignorieren". Von der FPÖ allerdings würden die SPÖ Welten trennen, man rechne ohnehin mit einer schwarz-blauen Koalition. Welches Kalkül aber steckt in dieser Ansage?

Rätseln über Ernsthaftigkeit

Auf den ersten Blick scheint das demonstrative Gesprächsangebot an die FPÖ nur deren Parteichef Strache zu nutzen. Dieser kann so den Preis für eine Zusammenarbeit mit der ÖVP in die Höhe treiben. Verfolgt Kern mit dem Signal der Gesprächsbereitschaft an die Blauen ein strategisches Ziel?

"Wenn, dann kann das nur ein Signal nach innen sein, das der Befriedung der roten Sozialpartner dienen soll", sagt der Politologe Peter Filzmair. Aus parteistrategischer Sicht sei Kerns Blinken Richtung FPÖ nicht zu erklären. Käme es zur - ohnehin wahrscheinlicheren - Variante Schwarz-Blau, würde Kern nicht nur als Wahlverlierer, sondern auch als Verlierer im Koalitionspoker dastehen, sagt der Politologe. Der Politikberater Thomas Hofer allerdings glaubt sehr wohl an ernst gemeinte Avancen: "Kern will sich die Option auf jeden Fall offenhalten. Schließlich geht es um die Regierungsbeteiligung", sagt Hofer und verweist auf die in der FPÖ nach wie vor vorhandene Skepsis gegenüber der ÖVP, die noch aus der Zeit von Schüssel und Haider herrühre.

Einen bekannten Roten würden ernsthafte Verhandlungen mit der FPÖ jedenfalls gar nicht freuen: Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl ist ein entschiedener Gegner einer Koalition mit den Freiheitlichen. Schließlich hätten die Wiener Landespartei und Häupl, der im Jänner den Bürgermeisterposten räumen wird und um dessen Nachfolge ein teils offen ausgetragener Streit in der Wiener Partei tobt, mit Schwarz-Blau im Bund einen idealen Wahlkampfgegner. Häupl zieht indes in eine Richtung, die vor allem Christian Kern, dessen Abneigung gegenüber Sebastian Kurz schon fast mit Händen greifbar ist, gar nicht gut finden wird. Es habe mit den Konservativen schon "tiefere Gräben" gegeben als jene, die sich im vergangenen Wahlkampf aufgetan hätten, sagte Häupl am Dienstag: "Politik ist kein Rehabilitationszentrum." Bei Rot-Blau befürchtet Häupl gar eine Parteispaltung. Schlussendlich stimmte Häupl im Bundesparteivorstand aber doch für die FPÖ-Gespräche.

Die Gewerkschaften sind in der Frage Rot-Blau eher gespalten: Während GPA-Chef Wolfgang Katzian es eher nicht mit der FPÖ versuchen will, spricht sich ÖGB-Chef Erich Foglar jedenfalls für eine Regierungsbeteiligung der SPÖ aus. Diskutieren die Sozialdemokraten über eine Koalitionsoption, die es in der Realität eigentlich gar nicht gibt? Fragt man in den Länderorganisationen der SPÖ nach, scheint Rot-Blau für die dortigen Funktionäre und Mitglieder nicht sonderlich erstrebenswert zu sein. "Selbst Leute, die normalerweise für die FPÖ-Option eintreten, waren gestern beim Landesparteivorstand ganz ruhig", sagt ein oberösterreichischer SPÖ-Funktionär.

FPÖ: Tendenz zu Schwarz-Blau

In Oberösterreich rätselt man gar hinter den Kulissen, ob der gestrige Präsidiumsbeschluss nur Gespräche oder doch konkrete Verhandlungen legitimiere, heißt es aus Oberösterreich. "In unserer Sitzung ging es um die Opposition." Dass man das aber nicht, wie dies auch die deutsche Schwesterpartei SPD nach der Wahlniederlage getan hat, gleich öffentlich festhält, schiebt man in Oberösterreich auf das SPÖ-Ergebnis vom Sonntag. Man müsse zumindest Bereitschaft zum Regieren signalisieren, heißt es aus dem Umfeld der SPÖ-Oberösterreich. "Wenn die Verhandlungen von ÖVP und FPÖ scheitern, sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen", sagt auch der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer. Zwar habe Strache "bessere Handschlagsqualität" als Kurz und es gebe auch "einige Schnittmengen" mit der FPÖ, beispielsweise in der Sozialpolitik. Dennoch gehe "alles Richtung Schwarz-Blau".

So ähnlich sieht das offenbar auch die FPÖ, die sich am Dienstag zu einer Präsidiumssitzung traf. Der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek und sein Kärntner Kollege Gernot Darmann ließen nach dem Treffen klar ihre Präferenz Richtung Koalition mit der ÖVP durchblicken, der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner, zu Hause bereits in einer Regierung mit der ÖVP, ist ohnehin vom guten Funktionieren von Schwarz-
Blau überzeugt. Offiziell festlegen will man sich in der FPÖ aber nicht. "Das wäre auch taktisch unklug", sagt der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer.