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Rot-Grün steuert in stürmische Gewässer

Von Daniel Bischof und Christian Rösner

Politik
Wien-Bonus, Lobautunnel, Praterstern: Liste an rot-grünen Reibungspunkten ist lang.
© WZ-Illustration/Hack

Michael Ludwig hat sein Team vorgestellt. Wie geht es nun mit der Wiener Stadtregierung weiter?


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Wien. Noch sitzt Michael Ludwig mit den Grünen in einem Boot. Bis zu den Landtagswahlen 2020 wollen der designierte Bürgermeister und sein Koalitionspartner jedenfalls noch zusammenarbeiten. Doch wird das Koalitionsboot während der verbleibenden Zeit sicher durch die Wogen navigieren? Könnte es nicht vorzeitig Schiffbruch erleiden?

Erzählungen, die der rot-grünen Reise ein böses Ende vorhersagen, gibt es zur Genüge. Ludwig wolle nicht denselben Fehler wie Ex-Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) machen, so eine Narration. Kern habe nach seinem Amtsantritt im Mai 2016 und der Präsentation des Plan A im Jänner 2017 gezögert, in Neuwahlen zu gehen. Dadurch sei es der ÖVP unter Sebastian Kurz gelungen, das Ruder in der Regierung zu übernehmen. Der Ausgang ist bekannt. Ludwig aber, der werde nicht zögern. Der werde die Zeit nützen. Die Conclusio der Erzählung: Ludwig wird die Koalition an die Wand fahren. Bereits im Herbst 2018 könnte in Wien gewählt werden.

SPÖ-Insider bestätigen gegenüber der "Wiener Zeitung" zwar das, was Ludwig bereits mehrmals auf Anfrage gesagt hat: "Vorgezogene Gemeinderatswahlen sind kein Thema." Sie fügen allerdings hinzu: "Sofern es mit den Grünen funktioniert." Daher seien vorgezogene Neuwahlen tatsächlich eine Option. Eine Option, die der Parteichef strategisch bereits mitbedacht und dementsprechend auch sein Team zusammengestellt hat, heißt es. Deswegen habe es auch keine grundlegenden Veränderungen in den Ressorts gegeben. Zu lange würde das Einarbeiten eines Neulings dauern, falls in ein paar Monaten schon wieder gewählt wird, erklärt ein Insider. Ulli Sima sei daher auch etwa weiterhin für die Umwelt- und Stadtwerkeagenden zuständig.

Neue Konflikte drohen

"Eine gemeinsame Erzählung von Rot und Grün sehe ich weit und breit nicht", sagt Politikberater Thomas Hofer. Denn natürlich müsse Ludwig versuchen, FPÖ-Wähler zurückzuholen. Das werde noch zu Konflikten führen: "Die Maximalvariante ist ein Stillhalteabkommen, wonach man sich gegenseitig nicht allzu sehr kritisiert", meint Hofer.

Rot-grüne Meinungsverschiedenheiten hatte es bereits beim vom Ludwig forcierten Alkoholverbot am Praterstern gegeben. Neben den Dauerbrennern Lobautunnel und Heumarkt-Turm steht mit dem geplanten Wien-Bonus ein weiteres Projekt in den Startlöchern, das für koalitionäre Unruhe sorgen könnte. Ludwig will mit dem Bonus schon länger in Wien lebende Menschen gegenüber Zuwanderern in manchen Belangen bevorzugen, wie er am Montag erneut bekräftigte.

Auch setzt die Wiener SPÖ unter Ludwig auf den Heimatbegriff. Er wird derzeit auf SPÖ-Postern in Wien überall plakatiert. "Ludwig versucht, den Begriff für die SPÖ zu kapern", sagt Hofer. "Er will das, was die Wiener SPÖ bisher als Flanke offengelassen hat, wieder zumachen." Das eröffne gleichzeitig aber auch neue Konflikte mit den Grünen.

Zudem stünde Neuwahlen "strategisch ein Fenster offen". Hofer hält diese Option auch für aussichtsreich. Denn noch wisse keine andere Partei außer der SPÖ, mit welchem Spitzenkandidaten sie in eine Wahl gehen würde. Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) werde sich etwa schwertun, während der halbjährigen EU-Ratspräsidenschaft Österreichs, die am 1. Juli beginnt, gleichzeitig als Spitzenkandidat bei Wien-Wahlen im Herbst 2018 anzutreten. "Der hat jetzt schon einen vollen Terminkalender."

Einige Faktoren sprechen allerdings gegen einen Koalitionsbruch. Laurenz Ennser-Jedenastik, Politikwissenschafter am Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien, gibt zu bedenken: "Die Zusammenarbeit zwischen Rot und Grün war noch nie völlig friktionsfrei." Die SPÖ könne die Grünen als Koalitionspartner nicht ständig vergraulen, da sie ansonsten ihre eigene strategische Position bei den nächsten Wahlen schwäche. Er rechnet damit, dass die SPÖ auf eine Mischung aus Eigenprofilierung setzen und gleichzeitig darauf achten wird, sich keine zukünftigen Koalitionsoptionen zu verbauen.

Der richtige Zeitpunkt

Nicht zu vergessen ist auch ein weiterer Faktor: der richtige Zeitpunkt. Kern schwamm nach seiner Ernennung und der Ablöse des unbeliebten Werner Faymann auf einer Popularitätswelle. Bei Ludwig scheint noch nicht klar, wohin sich seine Beliebtheitswerte entwickeln. Hierbei wird auch die schwarz-blaue Bundesregierung eine Rolle spielen.

"Aus der Vergangenheit weiß man: Die SPÖ tut sich während einer schwarz-blauen Bundesregierung etwas leichter, wenn sie wartet, bis sich die Regierung in der öffentlichen Meinung abgenutzt hat. Das stärkt das eigene Profil", erklärt Ennser-Jedenastik. Als Gegenmodell zu Schwarz-Blau würden sich relativ erfolgreich Wahlkämpfe schlagen lassen. Darauf habe etwa Michael Häupl bei den Landtagswahlen 2005 während der ersten schwarz-blauen Regierung gesetzt. Damals erreichten die Sozialdemokraten die absolute Mandatsmehrheit.

Schwarz-Blau als Reibebaum sei aber kein Selbstläufer, so Ennser-Jedenastik: "Das hängt natürlich vom Zustand der Regierung ab. Jetzt könnte es noch nicht so gut funktionieren wie in ein oder zwei Jahren." Sind erst einmal umstrittene Reformen wie etwa die Zusammenlegungen der Sozialversicherungen auf dem Weg, könnte es für die SPÖ einfacher werden: "Das sind Kernthemen der SPÖ, die in der Öffentlichkeit kontroversiell diskutiert werden." Und je länger eine Regierung im Amt ist, desto eher gebe es Abnützungserscheinungen.

Für Ungewissheit in den Reihen der SPÖ sorgt auch die Wiener ÖVP. Sie hat sich in den letzten Wochen handzahm gegeben und nur zaghaft Kritik an der SPÖ geäußert. Aber obwohl sich SPÖ und ÖVP gerade auf Kuschelkurs befinden, könne sich die SPÖ dennoch nicht sicher sein, dass die ÖVP am Ende nicht doch noch eine Koalition mit der FPÖ und den Neos bildet, gibt ein Insider zu bedenken. Zwar wäre ein Großteil der Wiener ÖVP einer großen Koalition nicht abgeneigt. Ob hier Blümel mit Bundeskanzler Sebastian Kurz im Nacken mitspielen würde, sei aber fraglich.

Grüne entscheiden im Juni

Angesichts der Unsicherheitsfaktoren glaubt auch Hofer nicht, dass Ludwig das Koalitionsschiff sinken lassen wird. Er weist auch auf den Zustand der Grünen hin: "Die Grünen werden es sich nicht leisten können, bei jedem Thema die Koalition in Frage zu stellen", sagt Hofer. Für Neuwahlen sei die Partei zu schlecht aufgestellt.

Eine erste Richtungsentscheidung, wie es mit der Koalition weitergehen wird, fällt im Juni. Da wollen die Wiener Grünen entscheiden, wer künftig die Partei führen soll. Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou will zwar bleiben. Sie stößt aber auf innerparteilichen Widerstand. Klubobmann David Ellensohn und Landessprecher Joachim Kovacs stehen bereits als Nachfolger bereit.

Ellensohn könnte versuchen, die Grünen deutlicher gegenüber der SPÖ zu profilieren, als das bisher Vassilakou gemacht hat. Das könnte wiederum den Sozialdemokraten sauer aufstoßen - und der rot-grünen Reise den Wind aus den Segeln nehmen.