Erwin Prölls Vorschlag, die Lehrer zur Ländersache zu erklären, wäre ein Rückschritt. Er hat mit Bildung nichts zu tun.
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Seit die ÖVP unter Erwin Pröll im März 2008 eine 54-Prozent-Mehrheit eingefahren hat, gilt Niederösterreichs Landeshauptmann zu Recht als Bollwerk der Volkspartei in der ideologischen Landschaft, vergleichbar höchstens mit verflossenen Landesfürsten wie etwa Eduard Wallnöfer in Tirol - aber das ist schon sehr lange her.
Es ist nicht verwunderlich, wenn ein Politiker dieses Zuschnitts im Hinterkopf die Rechnung anstellt, dass sich in Niederösterreich auch nach ihm nicht so rasch etwas verändern wird. Also mag es für ihn strategisch sinnvoll erscheinen, den Unterbau zu festigen - und der Zugriff auf die Lehrer ist ein Zugriff auf die Gehirne der Schüler. Also müssten alle Pädagogen endlich zur Landes-"Sache" gemacht werden, was an sich schon ein problematischer Begriff ist.
Die ÖVP-Übermacht in den Bundesländern hat sich zwar in den vergangenen Jahren durch die Machtwechsel in der Steiermark und in Salzburg sowie die politischen Grabenkriege in Tirol deutlich verringert, aber der Trend kann sich wieder umkehren. Wenig überraschend hatte Pröll die ÖVP-Landeshauptmänner Oberösterreichs und Vorarlbergs sofort an seiner Seite, freilich auch den Sozialdemokraten Hans Niessl im Burgenland.
Dieser wirkt aber fast wie ein Ausreißer - die traditionell dem Zentralismus zu-
neigende SPÖ blieb gegenüber Prölls Vorstoß abweisend, die zuständige Ministerin Claudia Schmied sowieso. Die SPÖ kann sich ihrer Mehrheiten in Bundesländern lange nicht so sicher sein, wie das dem niederösterreichischen Landeschef gelingt.
Der Blick auf das recht unterschiedliche parteipolitische Farbenspiel in den Ländern lässt ernsthaft daran zweifeln, ob es sinnvoll ist, die Zuständigkeiten für alle Lehrer länderweise aufzusplittern. Es kann ja nichts mit Bildungszielen zu tun haben, wenn nicht nur Pflichtschullehrer, sondern künftig auch AHS-Lehrer nach ihren Dienstorten in "schwarze" und "rote" aufteilbar sind, so als ob es Bundesländer mit einer mehrheitlich "schwarzen" Schülerschaft gäbe und welche mit einer mehrheitlich "roten". Solche Überlegungen haben mit Bildung überhaupt nichts zu tun.
Das Gegenstück eines dem Bund unterstellten und deshalb einheitlichen Schulsystems hat hingegen viel für sich - es verhindert den ideologischen Fleckerlteppich zwar nicht, zementiert ihn aber auch nicht. Abgesehen davon, dass einmal die ÖVP, das andere Mal die SPÖ den Bundeskanzler stellt, kann der jeweilige Unterrichtsminister auch gegenläufig wechseln. Die ÖVP-Unterrichtsminister Erhard Busek und Elisabeth Gehrer gehörten SPÖ-geführten Regierungen an. Die nationale Einheit, auf die parteipolitische Ebene heruntergebrochen, wurzelt auf Bundesebene im Humus großkoalitionärer Kompromisse.
Wenn sich Wirtschafts- und Familienminister Reinhold Mitterlehner vehement für die Vereinheitlichung der nach Bundesländern unterschiedlichen Jugendschutzbestimmungen einsetzt, wofür man ihm Erfolg wünschen kann - warum sollte dann ausgerechnet bei den Lehrern ein Zeichen gesetzt werden, das in die Gegenrichtung deutet?
Kärnten ist schon bisher nicht in der Lage, die auf Bundesebene festgelegten Stellenpläne für Pflichtschullehrer auch nur annähernd einzuhalten. Unter solchen Vorzeichen, die auch bei einigen anderen Ländern negativ sind, sollen Lehrer zur Gänze den Bundesländern unterstellt werden?
Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger
Nachrichten".