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Rote Risse

Von Christian Rösner

Politik

Die Wiener Roten nehmen sich kein Blatt mehr vor den Mund und setzen nach der Wahl ihre Grabenkämpfe fort. Eine Analyse.


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Wien. Nach der Nationalratswahl werden die Risse innerhalb der Wiener SPÖ wieder sichtbar. Während des Wahlkampfes noch um Geschlossenheit bemüht, bringen sich die beiden konkurrierenden Lager innerhalb der Partei schon wieder in Stellung, um auf das nächste Ziel hinzuarbeiten - nur dieses Mal anscheinend nicht mehr gemeinsam: Es geht um den Parteivorsitz und um den Posten des Wiener Bürgermeisters. Michael Häupl wird nämlich Ersteren am 27. Jänner am Landesparteitag abgeben. Stadtoberhaupt wird er voraussichtlich noch bis spätestens Juni 2018 bleiben. Dementsprechend scharf werden nun auch schon wieder die Töne innerhalb der Partei, wie das bereits dieser Tage auf Twitter zu sehen war.

Zu den beiden "Fraktionen" ist zu sagen, dass Wohnbaustadtrat Michael Ludwig mit den Vorbereitungen auf die Übernahme der beiden Ämter mehr oder weniger subtilerweise bereits vor mehr als einem Jahr begonnen hat. Er gilt als der Favorit der Flächenbezirke - das sogenannte Realo-Lager, dem man nur wenig Berührungsängste mit der FPÖ nachsagt. Jenes Lager, das Ende 2016 den Rücktritt von Michael Häupl gefordert hat, um der nächsten Generation Platz zu machen (obwohl Ludwig selbst nicht wesentlich jünger als Häupl ist). Jenes Lager, das die Flüchtlingspolitik der eigenen Wiener Partei kritisierte. Jenes Lager, das dem grünen Koalitionspartner nur sehr wenig Sympathie entgegenbringen kann.

Auf der anderen Seite sind die Vertreter der Bezirke, die sich großteils innerhalb des Gürtels befinden. Sozusagen die Bobos unter den Sozialdemokraten, die Freunde der Willkommenspolitik während der Flüchtlingskrise, die Anhänger einer rot-grünen Politik. Dieses Lager hat noch keinen Gegenkandidaten für den 27. Jänner aufgestellt, aber angekündigt, dies sicherlich noch tun zu wollen. Die am öftesten genannten Namen waren hier Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky, SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder - und vor allem Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner.

Schlagabtausch auf Twitter

Nach der Wahl vom Sonntag dürfte es nun jedenfalls aus sein mit der noblen Zurückhaltung. Zumindest auf Twitter nehmen sich einzelne Genossen kein Blatt mehr vor den Mund. So machte etwa ein Gemeinderatsabgeordneter seinem Ärger darüber Luft, dass seine Parteikollegen am Wahlabend ein feuchtfröhliches Fest zu feiern schienen. "Unfassbar, dass im SPÖ-Wien-Zelt der Verlust des Kanzleramts euphorisch gefeiert wird. Es ist kein Tag der Freude", twitterte er.

Die Antwort aus dem anderen Lager kam prompt: "SPÖ Wien & BGM Häupl haben geliefert. Haben gekämpft, sind gelaufen, haben Platz 2 gebracht. Stehen hinter Kern. Lass diese Kommentare!" Oder: "Unfassbar, dass du das Wiener Wahlergebnis nicht feierst, dass du tausende Freiwillige abschreibst. Für wen arbeitest du eigentlich?" Dann ein ausgleichender Tweet: "Differenziertes Denken und Handeln (Freude über Teilergebnis, Bestürzung über Gesamtergebnis) kann offenbar nicht jeder verstehen, gell?"

Dieser Schlagabtausch spiegelt auf jeden Fall das wider, was sich bereits seit Monaten abzeichnet: Eine Spaltung der Partei, die sich mit dem Kampf um Häupls Nachfolge endgültig manifestieren könnte. Dass sich die SPÖ auf einen einenden Kandidaten einigen kann, scheint unwahrscheinlich. Dass Ludwig sich mit "Zugeständnissen" seine alleinige Kandidatur erkaufen könnte, ebenso. Die Stadträte würden nach der nächsten Wienwahl besetzt, aber sicherlich nicht nach einem Bürgermeister- oder Landesparteivorsitzenden-Wechsel. Dafür müsste die Partei gegen die eigenen Stadträte einen Misstrauensantrag stellen, heißt es. Abgesehen davon würden viele Genossen auf Rücklege-Mandaten sitzen. Wenn vier Stadträte gehen, verlieren vier Genossen ihr Mandat, weil die Stadträte dann wieder in den Gemeinderat einziehen.

Die Analysen der vergangenen Tage unterstützen die Zuspitzung der Situation noch zusätzlich: Politologen sehen angesichts einer möglichen schwarzblauen Koalition auf Bundesebene die Position Ludwigs geschwächt. Die SPÖ würde in diesem Fall mehr auf ein Gegengewicht zur politischen Rechten setzen - und das sei Ludwig zu wenig, heißt es da. Allerdings darf man in diesem Zusammenhang nicht außer Acht lassen, dass ein Gegengewicht nur dann seine Wirkung entfalten kann, wenn die andere Seite bereits etabliert ist. Und das ist angesichts der in Wien noch bis 2020 laufenden Legislaturperiode von Rot-Grün noch länger nicht der Fall.

Verluste nur in Flächenbezirken

Weiters darf man nicht vergessen, dass die SPÖ auf Bundesebene zwar Platz eins verloren hat. In Wien verzeichnete sie aber einen Zuwachs von 3,34 Prozentpunkten. Außerdem sind jetzt ganze 20 Bezirke wieder rot. Trotzdem hat die ÖVP die meisten Zuwächse vor allem in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt erzielt (die "Wiener Zeitung" hat berichtet). Und die einzigen Verluste der SPÖ in Wien gab es durchgehend in den Flächenbezirken. Aber das scheint die Genossen dort nicht weiter zu interessieren. Sie fühlen sich durch dieses Ergebnis sogar bestärkt: Die Bobo-Politik des linken Lagers der SPÖ habe dazu geführt. Man selber würde jedoch alles richtig machen - ähnlich, wie es die SPÖ in Simmering vorführt: Dort gibt es zwar einen blauen Bezirksvorsteher. Aber man tut so, als gebe es ihn gar nicht. Im vorher erwähnten Twitter-Thread hat eine Genossin sogar verkündet: "Simmering ist wieder rot."

Für Häupl selbst sind Auswirkungen im Ergebnis der Nationalratswahl auf die anstehende Nachfolge-Debatte im Amt des Wiener Bürgermeisters und des SPÖ-Chefs nicht zu erkennen, wie er am Dienstag erklärte. Allerdings warnte er im Fall von Rot-Blau dezidiert vor einer Parteispaltung.

"Vollholler"

Dass durch die Zugewinne in Wien - bei gleichzeitigen Verlusten in den Flächenbezirken - der linke Flügel der Wiener Partei gestärkt worden sei, sei ein "Vollholler": Mit "links" und "rechts" sei das allein sowieso nicht erklärbar. "Wenn es ausschließlich um inhaltliche Auffassungsunterschiede gehen würde, würde ich mir viel leichter tun. Weil mit inhaltlichen Differenzen kann ich ganz gut umgehen. Womit ich nicht so gut umgehen kann, ist mit diesen diffusen persönlichen Animositäten. Damit habe ich ein Problem."

Danach gefragt, warum man sich nicht auf Michael Ludwig als jenen Kandidaten einigen könne, der bereits seine Bürgermeisterkandidatur angekündigt hat, meinte der Amtsinhaber: "Naja, weil es verschiedene Leute anders sehen." Wobei er die mediale Zuschreibung Ludwigs als "Rechten" für einen völligen Unsinn halte: "Er ist ein sehr ordentlicher Sozialdemokrat." Er bringe auch die nötigen Qualifikationen für die Position des Stadtchefs mit, "aber es gibt natürlich andere auch". Namen wollte Michael Häupl keine nennen.