Zum Hauptinhalt springen

Rote und schwarze Rezepte

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die ÖVP geht also in die Verhandlungen mit der SPÖ, mit der öffentlichen Botschaft, die Fortsetzung der Koalition sei keine ausgemacht Sache - ergebnisoffen. Das mag sein, aber wenn es so ist, kann die Partei nicht besonders gut rechnen. Also: Die FPÖ schließt eine Koalition mit dem Team Stronach aus, weil "Chaostruppe". Die Neos schließen eine Koalition mit der FPÖ aus, die Grünen mit der FPÖ. Rein arithmetisch ergibt sich für die ÖVP nur eine Mehrheit mit der SPÖ. Der Satz gehört also ins Reich der Polit-Spielchen, vermutlich jener, die Wähler bis zum Erbrechen satt haben, weil diese bis 51 Prozent und weiter zählen können. Aber das werden die Wähler der ÖVP künftig mit den Funktionären der Partei auszumachen haben.

Wo sind also die schwarzen Linien und wo die roten? Was wir bisher wissen: Die ÖVP will ein paar ganz konkrete Punkte, was implizit einen koalitionsfreien Raum bedeutet, in dem sich die jeweilige Regierungspartei andere Mehrheiten im Parlament sucht. Die SPÖ ist dagegen, ein Koalitionsabkommen sei kein "Kochrezept".

Das scheint tatsächlich der größte "Versalzer" zu sein. Wenn die ÖVP beispielsweise die gesamten Schulagenden bis zur Uni den Ländern geben möchte, sollte das im Abkommen stehen. Die SPÖ würde dagegen die Bildungsziele bis 2018 hineinschreiben wollen, etwa die flächendeckend angebotene ganztägige Schule. Beide Parteien haben vermutlich Ähnliches im Sinn, weil ihre dahinterliegenden Sozialpartner in Arbeiter- und Wirtschaftskammer längst einig sind.

Und doch wäre dies fatal. Denn es würde bedeuten, dass die Parteien vom Wahlergebnis nichts gelernt haben und bloß weiterhin versuchen, die Macht zu erhalten oder zu vergrößern. Sowohl SPÖ und ÖVP haben bisher öffentlich nur die künftige Medienförderung als Verhandlungspunkt definiert. Dabei geht es nicht nur um die künftige Ausrichtung des ORF, sondern auch um die Medienvielfalt insgesamt. Ob der ORF künftig zwei Geschäftsführer haben wird, ist für das Fortkommen der Republik und den Erhalt des Wohlstandes so relevant wie eine gefressene Biene für die Bestäubung eines Marillenbaums.

Wenn SPÖ und ÖVP ausschließlich den Machterhalt bis 2018 im Auge haben, gebietet es der Transparenz-Gedanke, dies auch zu sagen. Die Auswirkungen bei den EU- und Wien-Wahlen wären für beide versalzen - ein schwaches Rezept ohne dieses Bekenntnis allerdings auch.