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Rote Verklärung, Wirklichkeit und Notwendigkeit

Von Wilfried Leisch

Gastkommentare
Wilfried Leisch ist Politikwissenschafter und Mitarbeiter der Plattformen "Pro Demokratie" (www.prodemokratie.com) und "proSV" (www.prosv.at).
© privat

SPÖ raus aus der Geiselhaft von Industrie, ÖVP und FPÖ.


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Gerne wird die Zeit Bruno Kreiskys oder Franz Vranitzky in der SPÖ fast verklärend dargestellt. Doch sie hat sich schon lange von Industrie, ÖVP und FPÖ abhängig gemacht, um Kanzler zu stellen. Die Folge: Immer, wenn die SPÖ die Schuldigkeit für die Unternehmer getan hatte, wurde sie von Industrie und Medien wieder fallen gelassen. Das war bei Kreisky (1970 bis 1983) so, als sein Sozialminister Alfred Dallinger eine Wertschöpfungsabgabe ("Maschinensteuer") forderte, um Produktivitätsprofite der Allgemeinheit zugänglich zu machen und Soziallabbau zu verhindern. Die Industrie hingegen forderte ein Sparpaket. Kreisky schnürte das "Mallorca-Paket" mit Einschnitten für die Bevölkerung - und verlor 1983 die Mehrheit.

Franz Vranitzky (1986 bis 1997) beendete zwar die SPÖ-Koalition mit der FPÖ, schloss dafür aber einen Pakt mit Industrie und ÖVP für Verstaatlichten-Ausverkauf, Liberalisierung, Privatisierung und EU-Beitritt. Es gab Sparpakete, die Pensionen wurden verschlechtert, unter anderem des höhere Pensionsantrittsalter für Frauen fixiert. Als das alles mit Hilfe der SPÖ unter Vranitzky und Viktor Klima (1997 bis 1999) durchgesetzt war, wechselten Wirtschaft und Medien im Jahr 2000 auf ÖVP und FPÖ. Diese vollendeten die Privatisierung der Verstaatlichten, attackierten die Sozialversicherung und beschlossen die große "Pensionsreform", die heute für 25 bis 30 Prozent weniger Pension als früher sorgt.

Als die ÖVP-FPÖ/BZÖ-Regierungen (2000 bis 2006) bei so viel offener Unternehmerpolitik gegen die Menschen bei den Wählern unten durch waren, gewann überraschend die SPÖ (Alfred Gusenbauer) - änderte aber nichts zugunsten der Bevölkerung. Im Gegenteil: Studiengebühren eingeführt, Erbschaftssteuer abgeschafft, Eurofighter belassen. 2008 übernahm Werner Faymann SPÖ-Vorsitz und Kanzlerschaft und verlor von Wahl zu Wahl. 2016 putschte Christian Kern gegen ihn und hoffte auf einen Wahlsieg dank "Plan A" mit "12-Stunden-Tag light", Flexibilisierung und "Sozialversicherungsreform light". Industrie und Medien waren begeistert über "den frischen linken Wind". Bis Sebastian Kurz 2017 gegen Reinhold Mitterlehner putschte und mit der FPÖ für die Industrie 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche sowie Zugriff der Unternehmerseite auf die Sozialversicherung umsetzte. Die Industrie ließ Kern schnell fallen, dieser bald darauf die SPÖ. Pamela Rendi-Wagner sollte es richten, weil kein Mann das machen wollte. Intrigieren konnten die Männer aber schon.

Dass Hans Peter Doskozil dem rechten Lager zugerechnet wird, ist kein Geheimnis. Gehen wir nach den Chaostagen einmal davon aus, dass Andreas Babler SPÖ-Chef bleibt. Auf Wirtschaft und Industrie als Bündnispartner zu setzen, ist sinnlos und ein Desaster für die arbeitenden Menschen. Vertrauen ist nur zu gewinnen, wenn den Worten endlich Taten folgen, keine Zurücknahmen. Also etwa Ja zu seiner EU- und Nato-Kritik und daher umso mehr ein deutliches Ja zur Neutralität. Diese Themen darf er nicht den anderen überlassen. Ansonsten drohen der breiten Bevölkerung noch mehr Sozial- und Demokratieabbau, Kosten für Aufrüstung beziehungsweise Kriegseinbindung in EU und/oder Nato.