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Rotenturmstraße ohne Hausherrn eröffnet

Von Matthias Winterer

Politik
In der Rotenturmstraße bewegen sich nun alle auf einem Niveau.
© PID/Fürthner

Die Begegnungszone hat sich etabliert. In der Rotenturmstraße wird sie trotzdem zum Politikum.


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In Begegnungszonen herrscht eiserne Egalität. Autos, Fußgänger, Kinder, Hunde, Radfahrer. Alle haben die gleichen Rechte. Niemand wird bevorzugt. Niemand wird übergangen. Jeder hat gleich viel Platz. Die bauliche Trennung zwischen Straße und Gehsteig wurde abgeschafft. Alle bewegen sich auf gleichem Niveau.

Ursprünglich stieß die Idee auf Ablehnung. Chaos wurde prophezeit. Doch die Apokalypse blieb aus. Mussten die Grünen die Umgestaltung der Mariahilfer Straße Anfang des Jahrzehnts noch gegen heftigen Widerstand durchboxen, sind sechs Jahre nach der Eröffnung alle dafür. Sogar die Wiener Wirtschaftskammer revidierte ihren Kurs. Einst vehement dagegen, plädierte sie im Oktober für Begegnungszonen in jedem Bezirk. Sie hatte ihre positiven Effekte erkannt. Begegnungszonen steigern die Kaufkraft und schaffen Jobs.

Am Donnerstag eröffnete in der Rotenturmstraße im 1. Bezirk Wiens siebte Begegnungszone. Das Straßenniveau wurde dem Gehsteig angeglichen, Japanische Schnurbäume gepflanzt, Brunnen gebaut. Helle Granitplatten sollen die Straße im Sommer kühlen. 11,1 Millionen Euro kostetet das Projekt. Planungsstadträtin und Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grünen) setzte den letzten Pflasterstein am Fleischmarkt.

Figl bleibt daheim

Doch Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) ist der Eröffnung ferngeblieben, nachdem er schon an den Spatenstich-Feierlichkeiten im Juni demonstrativ nicht teilgenommen hatte. Er will damit auf die lange Liste seiner Kritikpunkte hinweisen. "Ich bin nicht per se gegen die Begegnungszone", sagt Figl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Mich stört die Art und Weise, wie der Umbau von Maria Vassilakou durchgedrückt wurde." Die Rotenturmstraße war eines der letzten Projekte der scheidenden grünen Vizebürgermeisterin Vassilakou. "Die Entscheidung wurde über die Köpfe der Bewohner hinweg getroffen. Bürgerbeteiligung fand keine statt", sagt Figl.

Die Begegnungszone selbst sei sicherlich schön anzusehen, so der Bezirksvorsteher. Er befürchtet allerdings unangenehme Nebeneffekte. Durch die Totalsperre während des Umbaus wurde der Verkehr über den Bauern- und Fleischmarkt sowie den Laurenzerberg umgeleitet. "Die Anrainer haben Angst, dass sich diese Route nun als Schleichweg etablieren könnte." Außerdem sei der Verlust von 40 Parkplätzen ein Problem. Sie wurden nicht durch Anrainerstellplätze kompensiert. Auch an der Finanzierung lässt der Bezirkschef der Inneren Stadt kein gutes Haar. "Sie ist völlig intransparent. Nicht einmal wir wissen, wieviel der elf Millionen Euro von privaten Partnern stammt."

Im Büro der Vizebürgermeisterin nimmt man Figls Kritik gelassen zur Kenntnis. Die Höhe des Finanzierungsanteils von Privatpersonen sei erst nach der Endabrechnung sichtbar, heißt es. "Dann wird das Budget natürlich offengelegt", sagt Hebeins Sprecher Georg Kehrer. Die Kritik der fehlenden Bürgerbeteiligung kann er nicht nachvollziehen: "Es gab Veranstaltungen und Gespräche mit den Anrainern. Ihre Bedenken wurden von den Planern aufgenommen und in das Projekt miteinbezogen."

Trotz der Debatte um die neue Rotenturmstraße, scheinen sich die Wogen zwischen Bezirksvertretung und dem Büro der Planungsstadträtin langsam zu glätten. Zu Hebein habe Figl einen wesentlich besseren Draht, als zu ihrer Vorgängerin Vassilakou, sagen Insider. Auch Figl selbst lobt den "offenen pragmatischen Zugang" von Hebein. Und die hat Figl zur Eröffnung auch eingeladen. Gekommen ist er nicht. So egalitär sich die Menschen in der Begegnungszone auch begegnen, die Politik spaltet sie sichtlich immer noch.