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Roter Kurswechsel

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Europa verändert sich, und neue Gesichter in den Spitzenfunktionen begleiten diese Veränderung. Dass der deutsche Vizekanzler und Chef der dortigen Sozialdemokraten, Sigmar Gabriel, auf eine Kanzlerkandidatur verzichtet und den Parteivorsitz abgibt, ist eine honorige Entscheidung. Der ehemalige Präsident des Europaparlaments Martin Schulz soll ihm folgen. Der rhetorisch hervorragende Schulz ist noch gar nicht offiziell in der deutschen Innenpolitik angekommen, wird aber von Start weg als Kanzlerkandidat enorme mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Deutschland wählt am 24. September, die SPD dümpelt in Umfragen bei 20 Prozent.

In den 28 EU-Ländern gibt es derzeit nur sieben Regierungschefs, die aus der Sozialdemokratie kommen. In Österreich, Italien und nun Deutschland wurde in den vergangenen acht Monaten der jeweilige Spitzenmann getauscht.

Das zeigt schon die Umorientierung, in der Europas Sozialdemokratie derzeit steckt. Dass die konservative Europäische Volkspartei mittlerweile alle drei Chef-Positionen in den EU-Institutionen einnimmt (Kommission, Rat, Parlament), macht es den Sozialdemokraten leichter, einen etwas populistischeren Kurs zu fahren. Schulz weiß dies als "pro-europäischer Demagoge" zu nutzen, seine öffentlichen Aussagen sind deutlich - und dementsprechend hat er viel bessere Umfragewerte als Gabriel. In Österreich hat es Christian Kern geschafft, Faymanns Kanzler-Malus in einen deutlichen Bonus zu drehen.

Mit diesem neuen Kurs soll Rechtspopulisten, die zwar Probleme aufzeigen, aber keine Lösungen anbieten, das Wasser abgegraben werden.

In Deutschland feiert die einschlägige AfD jetzt schon ihren (durch Umfragen erhärteten) Wahlerfolg im September. Martin Schulz’ Antritt ist der letzte Versuch der gebeutelten SPD, dagegenzuhalten. Auf europäischer Ebene versuchen die Sozialdemokraten derzeit mit allen Mitteln, ihre ureigenen Themen stärker durchzubringen, um bei den Bürgern wieder an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Dass es im November in Schweden einen "Sozial-Gipfel" der EU geben wird, mit einer klaren Agenda, ist ein erster Teilerfolg.

Es geht darum, rechtspopulistische Parteien von Regierungsämtern fernzuhalten, auch in Frankreich. Die wollen - im Verein mit Russland - die EU zerstören. Die Sozialdemokraten haben den Ernst der Lage erkannt, in den konservativen Parteien ist dies noch nicht so sicher.