Irans Präsident bringt Milliardenaufträge nach Paris mit.
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Paris/Rom/Wien. Wenn es um lukrative Wirtschaftsgeschäfte geht, hat schon so mancher Politiker seinen guten Geschmack über Bord geworden. US-Präsident Barack Obama erschien beim Asean-Gipfel im Herbst des Vorjahres zum Dinner im blitzblauen Mao-Anzug. Ex-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein ließ sich 2007 in der kasachischen Steppe mit traditioneller Nomadentracht samt bestickter Kopfbedeckung "Modell Napoleon" ablichten. Beides sorgte für Belustigung.
In Rom nimmt man es weniger mit Humor. Weil dort während des Besuchs von Irans Staatschef Hassan Rohani die Nacktstatuen der Kapitolischen Museen - ein antikes Kulturerbe - verhüllt wurden, sieht sich Ministerpräsident Matteo Renzi einem Shitstorm von rechts ausgesetzt. Dem Chor schloss sich auch die populistische Oppositionspartei "Fünf Sterne" an, die den Fall sogar im Parlament behandeln will. Mitte-Rechts-Parteien hatten die Verhüllung bereits zuvor als "lächerliche Unterwerfung" gegenüber dem Islam kritisiert. "Renzi hat Italien und unsere christlich-griechische-jüdische Wurzeln gedemütigt", hatte etwa Michaela Biancofiore, Abgeordnete der konservativen Partei Forza Italia, erklärt.
Die Verantwortung für die Entscheidung, die Statuen während eines Presseauftritts Rohanis am Montag hinter schrankähnlichen Konstruktionen zu verbergen, schieben sich die zuständigen Stellen gegenseitig zu. Der Protokollchef habe die Maßnahme in "exzessivem Eifer" angeordnet, zitierten italienische Medien Renzi. Kulturminister Dario Franceschini will ebenso nicht schuld sein. "Weder ich noch Renzi sind über den Beschluss informiert worden, dass man die Statuen verhüllen wollte. Es hätte andere Wege gegeben, um nicht die Sensibilität eines derart wichtigen ausländischen Gasts zu verletzen", so der Minister. Das Denkmalamt wiederum meinte, die Verhüllung sei auf Druck der Regierung erfolgt, die Rohanis Besuch organisiert habe.
Rohani selbst, der am Mittwoch bereits nach Paris weitergereist war, reagierte auf die Debatte gelassen. "Journalisten sind daran interessiert, über solche Dinge zu berichten", sagte der als Liberaler bekannte Politiker. Den Italienern dankte er für diese Geste der Gastfreundschaft. Rohanis Delegation hatte in Rom Wirtschaftsverträge in der Höhe von 17 Milliarden Euro unterzeichnet. Auch in Paris sind Milliardenverträge mit französischen Unternehmen geplant. Von einer Verhüllung von Statuen wie in Rom war in Paris zwar nicht die Rede - und ein Besuch im Musée d’Orsay, wo ähnlich ästhetisch-anzügliche Kunstwerke stehen, nicht geplant. Aber auch in Frankreich, der zweiten Etappe von Rohanis Europareise, rollten die Gastgeber den roten Teppich für ihn und seine rund 120-köpfige Delegation aus. Nach einem Zusammentreffen mit Präsident François Hollande sowie Arbeitgeberpräsident Pierre Gattaz und mehreren Chefs französischer Großkonzerne stand bereits die Unterzeichnung der ersten Verträge an.
Auch der heutige Donnerstag wird neben einer feierlichen Zeremonie am Invalidendom vor allem dem Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen gewidmet sein. Für Frankreichs Industrie handelt es sich um einen höchst lukrativen Besuch, der ermöglicht wurde durch das Atomabkommen und die Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen das Land. Geplant war er eigentlich für Mitte November, doch wurde er aufgrund der Pariser Terroranschläge am 13. November verschoben.
Während Frankreich vor zehn Jahren noch der viertgrößte Handelspartner der Islamischen Republik war, schrumpfte das Handelsvolumen von vier Milliarden Euro im Jahr 2004 auf nur noch 500 Millionen im Jahr 2013. Umso mehr bemüht sich Teheran nun um die Wiederaufnahme der Beziehungen mit dem knapp 80 Millionen Einwohner zählenden Land, das großen Investitionsbedarf in vielen Bereichen von der Infrastruktur der Straßen über die Wasser- und Stromnetze bis hin zur Automobil- und Luftfahrtindustrie hat. Diesen hat Rohani im Vorfeld seines Kommens bekräftigt. "Wir müssen unsere Luftfahrtflotte modernisieren und Lokomotiven kaufen."
So gibt der Iran beim europäischen Flugzeugbauer Airbus den Bau von 114 Maschinen verschiedener Modelle in Auftrag, die bis 2017 fertiggestellt sein sollen. Auch die Automobilbauer Peugeot und Renault sollen mit Milliardenaufträgen vom iranischen Investitionshunger profitieren. Trotz der klar auf die Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen ausgelegten Gespräche erhofft sich Frankreich auch mehr politischen Einfluss in der Region sowie eine Aufwertung als möglicher Vermittler, etwa im Dauerkonflikt mit Saudi-Arabien. "Da ich den Irans Präsidenten empfange, habe ich auch Interesse an besseren Beziehungen zu den Golfstaaten", meinte Hollande. Eine Diskussion über die Lage der Menschenrechte im Iran stand nicht im Protokoll.