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Rotes Fleisch im Verdacht

Von Alexandra Grass

Wissen

Darmkrebsfrüherkennung wird vorangetrieben. Deutscher Nobelpreisträger Harald zur Hausen betreibt Ursachenforschung.


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Wien. "Es ist unvorhersehbar, wer erkrankt. Krebs ist wie ein negativer Hauptgewinn in der Lotterie." Mit diesen Worten hob der deutsche Nobelpreisträger aus dem Jahr 2008, Harald zur Hausen, am Donnerstag die Wichtigkeit von Früherkennungsmaßnahmen hervor. Im Falle der Darmkrebsvorsorge handelt es sich dabei um die Koloskopie (Darmspiegelung), die laut dem Wiener Onkologen Heinz Ludwig die wirksamste Maßnahme aller Frühdiagnosemöglichkeiten darstellt.

Von der Bevölkerung werde sie allerdings kaum angenommen, betonten die Experten bei einer Pressekonferenz anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Selbsthilfegruppe Darmkrebs. Nur 11 Prozent der Über-50-Jährigen unterziehen sich einer solchen Untersuchung.

Jährlich bekommen mehr als 4000 Männer und Frauen die Diagnose gestellt. Wiewohl die Mortalitätsrate in den vergangenen 20 Jahren um 20 Prozent gesunken ist, sterben nach wie vor jährlich rund 2000 Menschen an Darmkrebs.

Risiko Milchrind

Harald zur Hausen, Entdecker des Zusammenhangs zwischen der chronischen Infektion mit Human-Papilloma-Viren und der Entstehung von Gebärmutterhals- und anderen Karzinomen, ist der Ursachenforschung auf der Spur. Mit seinem Team vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg hat er rotes Fleisch als möglichen Auslöser unter die Lupe genommen. "Die weltweite Geografie des Darmkrebs" zeige, dass der Konsum von Rindfleisch einen Risikofaktor darstellen könnte. Denn in Regionen, wo rotes Fleisch regelmäßig auf dem Speiseplan steht, sei die Erkrankungsrate um 20 bis 30 Prozent erhöht.

Auch wird dem Zubereiten etwa durch Grillen eine karzinogene Wirkung nachgesagt. Doch gebe es in Weltregionen, in denen Fisch, Geflügel und Rindfleisch auf gleiche Art und Weise zubereitet werden, keinen sichtbaren Einfluss. In Indien ist die Darmkrebsrate äußerst gering. Erstaunlicherweise aber auch in Bolivien und der Mongolei, obwohl die dortige Bevölkerung sehr viel rotes Fleisch isst. Zur Hausen bringt das erhöhte Krebsrisiko vor allem mit dem europäischen Milchrind in Zusammenhang.

Bei der Untersuchung von 130 Rindern durch Leipziger Veterinärmediziner und Tests an Tierprodukten fanden sich 18 neue mögliche Auslöser, die von Viren oder Keimen stammen und eventuell mit dem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung zu bringen sind, erklärte zur Hausen. Und weiter: "Ein Traum wäre, die Rinder zu impfen, um Krankheiten vermeiden zu können."

Mehrere Treiber

Wenn Krebs entsteht, handelt es sich jedoch immer um eine Koexistenz von verschiedenen Faktoren, stellte Heinz Ludwig vom Wiener Wilhelminenspital fest. Krebs sei eine "Erkrankung der genetischen Maschinerie", wozu es immer mehrere Treiber brauche. Doch könne man durch Frühdiagnose zeitgerecht eingreifen.

Sechs Prozent der Bevölkerung sind von Darmkrebs betroffen. Darunter auch der ehemalige Grüne Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger. Bei ihm wurde im Jänner im Rahmen einer Koloskopie ein Karzinom entdeckt. Schon als Gesundheitssprecher seiner Partei hatte er sich klar für Präventionsmaßnahmen ausgesprochen, betonte er am Donnerstag. "Klar, man ist für Prävention. Nur selbst soll es einen nicht betreffen", skizzierte er eine in der Bevölkerung übliche Sichtweise. Oft würden viele Ausreden, aber auch Angst den Weg zur Koloskopie versperren.

Er fordert mehr Aufklärung über die Möglichkeiten der Vorsorge, Früherkennung und Therapie. Er warnte vor dem Internet als primäre Informationsquelle. Googelt man ungezielt, "ist man sterbenskrank".

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser verwies an dieser Stelle auf das österreichische Krebsrahmenprogramm, das demnächst präsentiert werden soll.