Die SPÖ geht nun in der Causa Silberstein in die Offensive und legt den Beratungsvertrag mit dem umstrittenen Werber offen.| Laut Medienberichten behauptet Werber Peter Puller, ÖVP habe ihm Geld geboten. Er könne es mit "SMS-Konversation" beweisen.
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Wien. Nach den Enthüllungen in der Causa Silberstein scheint die SPÖ nun eine neue Strategie einzuschlagen. Wenn der Skandal schon nicht mehr einzufangen ist, so will man dabei zumindest wieder den (medialen) Takt vorgeben, so der Eindruck. Schließlich ist Angriff die beste Verteidigung.
Man werde den Vertrag mit dem umstrittenen PR-Berater Tal Silberstein eher nicht offenlegen, sagte Christoph Matznetter, interimistischer SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Chef der parteiinternen Task Force zur Aufklärung der Affäre, noch am Mittwoch. Am Donnerstagnachmittag lud Matznetter dann doch zu einer Pressekonferenz - und legte den Beratervertrag wie auch die Ergebnisse der von der SPÖ beauftragten Wirtschaftsprüfer Merkur Control offen. Eines vorweg: was darin zu lesen ist, könnte SPÖ-Spitzenkandidat und Kanzler Christian Kern in den kommenden Tagen in Erklärungsnot bringen.
Aus dem veröffentlichten Bericht geht nämlich klar hervor, dass Tal Silberstein nicht ausschließlich für die Analyse von Datenmaterial und Fokusgruppen engagiert wurde, so, wie Christian Kern die Zusammenarbeit mit dem PR-Berater darstellt.
Rechtliche Schritte angedacht
"In Summe arbeiten wir in strategischer Hinsicht in allen Bereichen des Projekts mit", zitiert der Bericht die Vereinbarung zwischen Silbersteins Firma GCS und der Bundespartei vom 1. Jänner 2017. Die Liste der danach angeführten Bereiche umfasst nicht nur "qualitative und quantitative Meinungsforschung und Analyse" oder "Medienmonitoring", sondern auch "strategische Planung und Medienberatung", "Schaffung und Management von War Rooms für die Wahl", "Gründung und Betreiben von Teams für die Oppositionsforschung" sowie "Training von Personal". Ganz klar mehr als nur die von Kern zitierte Arbeit mit Daten und Fokusgruppen.
Krisenmanager Matznetter aber sieht im vorliegenden Vertrag nur eine "normale Agenturtätigkeit", für die verdeckten Facebook-Kampagnen gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz sieht er Tal Silberstein keinesfalls legitimiert: "Weder im Vertrag noch in den Rechnungen oder Zahlungen gibt es Hinweise darauf", sagt Matznetter.
Insgesamt 536.000 Euro, das geht aus dem Vertrag hervor, bezahlte die SPÖ an Silberstein. Darin inkludiert waren auch 40.000 Euro für die Beratung der SPÖ Niederösterreich, die die Bundespartei ihrer Landesorganisation weiterverrechnet. 75.500 Euro, also jener Teil von Silbersteins Honorar, das auf den Zeitraum nach der Vertragsauflösung am 16. August des laufenden Jahres entfällt, wurde von der SPÖ bereits von Silberstein zurückgefordert. Insgesamt belaufen sich die Rückforderungen der SPÖ auf 131.250 Euro. Mit Silberstein verkehre man inzwischen ausschließlich auf dem Postweg, Gespräche oder ein Zusammentreffen zwischen SPÖ-Verantwortlichen und Silberstein habe es seit dessen Vertragsende nicht gegeben, sagte Matznetter. Ein Brief mit der ersten Rückforderung sei bereits abgeschickt worden, einen weiteren würde er, Matznetter, zusammen mit der ebenfalls mit der Causa betrauten Andrea Brunner in den nächsten Tagen abschicken. Ursprünglich sollte Silberstein übrigens nur bis Ende September 2017 für die SPÖ arbeiten, zur Verlängerung bis Ende Oktober kam es erst nach Ausrufung der vorgezogenen Neuwahlen, betont der SPÖ-Krisenmanager.
Auch rechtlich gehen die Sozialdemokraten in die Offensive: Vor allem gegen jene Person, die als Übersetzerin Zugang zu allen Daten gehabt habe, und die Matznetter als Quelle des Datenleaks bezeichnet, behalte man sich juristische Konsequenzen vor. "Für uns besteht der Eindruck, dass hier ein gesamter Datensatz abgesaugt wurde, der nun scheibchenweise veröffentlicht wird", sagt Matznetter. Rechtliche Schritte könnten demnach aber auch Silberstein selbst sowie den erst diese Woche suspendierten SPÖ-Kampagnenmitarbeiter Paul Pöchhacker treffen. Pöchhacker befindet sich nach einem schweren Unfall derzeit im Krankenstand. Matznetter: "Jetzt hoffen wir, dass er wieder gesund wird, der Paul." Man sei aber bereits mit dem Anwalt der SPÖ in Kontakt und prüfe zivilrechtliche Schritte. Für den Werber Peter Puller, mit dem Silberstein bereits in der Vergangenheit für die Wiener Landesgruppe der Neos gearbeitet hat, könnte es ebenfalls ein gerichtliches Nachspiel geben.
Wie die Wochenzeitung "Falter" online berichtet, behauptet Puller nun, der persönliche Pressesprecher von Sebastian Kurz habe ihm 100.000 Euro für die brisanten Informationen rund um Silbersteins Facebook-Team angeboten. Bei einem persönlichen Treffen sei Puller angeboten worden, als "Spitzel" für das Team für Sebastian Kurz zu arbeiten, was Puller jedoch abgelehnt hat.
Gegenüber dem Ö1-"Nachtjournal" behauptete Puller zudem, er könne das Angebot des ÖVP-Pressesprechers auch belegen, und zwar durch eine SMS-Konversation mit dem besagten ÖVP bzw. Kurz-Sprecher. Die ÖVP spricht von einem "Kontakt" zu Puller, stellt aber ein finanzielles Angebot vehement in Abrede. Man denke über Klagen nach, heißt es seitens der ÖVP. Einer möglichen Klage sehe er "gelassen" entgegen, sagt Puller, damit habe er gerechnet.
Die antisemitischen und rassistischen Postings auf den betroffenen Facebookseiten habe man beim Verfassungsschutz angezeigt. Durch dessen Ermittlungen erwarte man ebenfalls einen Beitrag zur Aufklärung. Auch einen Untersuchungsausschuss zur Causa kann sich Matznetter vorstellen.
"Keinen Schritt zurückweichen"
Dass die SPÖ nun zur Schadensminimierung auf Transparenz setzt und in die Gegenoffensive geht, zeigt auch, dass Matznetter nicht vom Verdacht abrückt, die ÖVP habe möglicherweise nach Silbersteins Entlassung dessen Facebook-Team übernommen. "Die Seiten in den sozialen Medien hatten den Zweck, Wähler von der ÖVP zur FPÖ zu bringen. Das würde aber auch der SPÖ schaden", rechnet Matznetter vor. "Man muss sich immer fragen: Cui bono? Schlussendlich liegt der Schaden immer bei uns." Ausschließen, dass weitere Enthüllungen doch noch die Mitwisserschaft weiterer SPÖ-Mitarbeiter oder gar Mitarbeiter Kerns ans Licht bringen könnten, will Matznetter nicht. Ob es dann klug ist, weiter bei der Aussage zu bleiben, bis auf Pöchhacker habe niemand von den Vorgängen in Silbersteins Facebook-Team gewusst? "In Zukunft müssen wir noch genauere Richtlinien festlegen, wer welchen Mitarbeitern Anweisungen geben darf", sagt Matznetter. Dass der SPÖ-Chef und Kanzler Silbersteins Rolle im Wahlkampf klein geredet habe, will Matznetter nicht gelten lassen. Kern habe eben das gesagt, woran er sich erinnern habe können.
SPÖ-Chef Kern meldete sich am Donnerstag via Internetvideo zu Wort. Eine "beispiellose Hetzkampagne" habe es in den vergangenen Tagen in den Medien gegeben, deren Betreiber die Politik der SPÖ anpatzen wollten. "Da gibt es einige Zeitungen und Medien, die glauben, sie können entscheiden, wer Bundeskanzler wird - und zwar noch bevor die Menschen in Österreich zur Wahlurne gegangen sind", so Kern in besagtem Video. Er werde jedoch "keinen Schritt zurückweichen", so der Kanzler. Es gehe um die "95 Prozent der Menschen in Österreich, die auf Fairness angewiesen sind", und für diese habe man ein gutes Programm.