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"Rotes Wunder" in Mailand

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv

Linkskandidat Pisapia deutlich vor Bürgermeisterin Letizia Moratti. | Vorzugsstimmen für Berlusconi fast halbiert. | Spannende Stichwahl in Neapel. | Mailand. Von einem "miracolo rosso", einem "roten Wunder", sprach am Montagabend sogar der Berlusconi-treue staatliche TV-Sender RAI 1, als sich das Debakel für die Berlusconi-Kandidatin Letizia Moratti bei den Mailänder Bürgermeisterwahlen abzeichnete. | Analyse: Götterdämmerung für Berlusconi nach der Wahlschlappe in Mailand


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Herausforderer Giuliano Pisapia, der Kandidat des Mitte-Links-Lagers, erreichte 48,04 Prozent und verwies die amtierende Bürgermeisterin Letizia Moratti, die nur auf 41,58 Prozent kam, klar auf den zweiten Platz. Zwischen beiden Kandidaten findet in zwei Wochen eine Stichwahl statt.

Das Wahlergebnis in Mailand ist für Regierungschef Silvio Berlusconi, der für seine Partei als Listenführer angetreten war und den Urnengang zu einer Abstimmung über sich und seine Regierung hochstilisiert hatte, besonders schmerzlich. Seine Partei PdL (Popolo della Liberta - Volk der Freiheit) lag in ihrer Hochburg mit 171.222 Stimmen nur mehr knapp vor der oppositionellen Demokratischen Partei (PD), auf die 170.551 Stimmen entfielen. Vor fünf Jahren betrug die Differenz noch mehr als 61.000 Stimmen.

Der PD-Kandidat Piero Fassino, von 2001 bis 2007 Parteichef der Linksdemokraten, über den Berlusconi einmal gesagt hatte, er sehe aus wie ein Leichenbestatter, wenn er aber wirklich einer wäre, würden die Menschen in Italien aufhören zu sterben, wurde im ersten Wahlgang mit einer deutlichen Mehrheit von 56,7 Prozent zum neuen Bürgermeister Turins gewählt. Mit 50,5 Prozent schaffte auch in Bologna der PD-Kandidat Virginio Merola im ersten Wahlgang mit 50,5 Prozent den Einzug ins Bürgermeisteramt. Sein PdL-Gegenkandidat Manes Bernardini erreichte nur 30,4 Prozent. Mit 9,5 Prozent schnitt in Bologna die Partei des Komikers Beppe Grillo "Movimento 5 Stelle" überraschend gut ab. In Mailand kam diese Gruppe auf 3,2 Prozent und könnte bei der Stichwahl neben den Zentrumsparteien das Zünglein an der Waage sein.

In Triest und in Cagliari, wo bisher die Mitte-Rechts-Parteien die Bürgermeister stellten, gehen die PD-Kandidaten als stärkste Anwärter in die Stichwahlen.

Mit Spannung wird auch die Stichwahl in Neapel erwartet, wo der Kandidat der linken Oppositionspartei "Italia dei Valori" (IdV - Italien der Werte), Luigi de Magistris, auf 27,5 Prozent kam und den PD-Kandidaten Mario Morcone, auf den nur 19,1 Prozent entfielen, auf Platz 3 verwies. De Magistris wird gegen den PdL-Kandidaten Gianni Lettieri in der Stichwahl antreten, der 38,2 Prozent der Stimmen erreichte und damit deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb. In Neapel werden die Wähler der Zentrumsparteien, deren Kandidat im ersten Wahlgang auf 9,74 Prozent kam, bei der Stichwahl ein wichtiges Wort mitzureden haben.

Das schlechte Abschneiden der PdL und der mit ihr verbündeten Lega Nord belastet das Klima in der Regierung. Vertreter der Lega Nord warfen Berlusconi bereits vor, durch seine Skandale für die Wahlverluste verantwortlich zu sein.