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Rousseff, Lulas Schatten

Von Alexander U. Mathé

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Brasilien wählt im Oktober ein neues Staatsoberhaupt. Das könnte zum ersten Mal eine Frau werden. | Unter Präsident Luiz Inacio Lula da Silva ist Brasilien zur Wirtschaftsmacht aufgestiegen. Er lockte ausländische Industriekonzerne ins Land, profitierte von der Freihandelszone Mercosur, sicherte brasilianischen Firmen Exportförderungen und kurbelte den heimischen Konsum an.


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Dieser Kurs brachte Brasilien auf die Straße des Erfolgs. Ein Kurs, den Lula gerne fortgesetzt sähe und daher hofft er, dass seine Parteikollegin Dilma Rousseff bei den kommenden Präsidentschaftswahlen gewinnt.

Die parteiinternen Weichen dafür werden wohl dieses Wochenende gestellt. Da soll die 63-Jährige auf dem Parteitag der Arbeiterpartei zur Präsidentschaftskandidatin gekürt werden. Der Wahlkampf startet allerdings offiziell erst im Sommer.

Lula selbst darf kein drittes Mal in Folge zum Präsidenten gewählt werden. Das besagt die brasilianische Verfassung - und im Gegensatz zu anderen südamerikanischen Präsidenten respektiert er diese Vorgabe. Schon seit Jahren baut er daher Rousseff auf, damit sie eines Tages in seine Fußstapfen treten kann.

Im Jahr 2003 machte er die Betriebswirtin zur Energieministerin und 2005 zur Präsidialamtsministerin. 2007 schließlich bekam sie die Umsetzung des 250 Milliarden Dollar schweren Programms zur Wachstumsbeschleunigung der brasilianischen Wirtschaft übertragen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war Rousseff so etwas wie Lulas Schatten und in der Öffentlichkeit von seiner Seite nicht mehr wegzudenken.

Diese Nähe zu Lula ist der Hauptangriffspunkt der Opposition. Sie glaubt, dass Rousseff lediglich eine Marionette des derzeitigen Präsidenten wäre. Kritiker aus der eigenen Partei äußern dieselben Bedenken: Nämlich, dass sie den Kurs Lulas fortsetzen würde. In diesem Fall fürchten sie jedoch Staatshilfen für die Großindustrie und mangelndes ökologisches Bewusstsein.

Gleichzeitig ist Rousseffs Effizienz zwar unbestritten, doch galt sie lange als wenig charismatisch und politisches Mauerblümchen. Von diesem Image löst sie sich allmählich. Dümpelte sie letztes Jahr in den Umfragen noch bei 17 Prozent, so liegt sie mittlerweile bei 25 Prozent und somit nur mehr sechs Prozent hinter ihrem wahrscheinlichen Widersacher von den Sozialdemokraten, Jose Serra.

Im Gegensatz zum Arbeiterkind Lula stammt Rousseff aus einer wohlsituierten Familie der Mittelschicht. Ihre Mutter ist Brasilianerin, der Vater ein emigrierter bulgarischer Jurist und Unternehmer. Doch Leid hat Rousseff trotzdem genug erfahren.

Während der Militärdiktatur (1964-1985) schloss sie sich der linken Guerilla an. Sie wurde verhaftet und gefoltert - 22 Tage lang; mit Elektroschocks, Schlägen und Demütigungen. Zynisch zweifelte später ein Militär ihre Geschichte an: Niemand habe die Folter so lange überleben können. Freigelassen wurde Rousseff erst nach drei Jahren.

Ihre Nominierung für die Präsidentenwahl war lange in Schwebe. Leidet sie doch an Lymphdrüsenkrebs, gegen den sie heute noch behandelt wird. Doch ans Aufgeben dachte Rousseff damals wie heute nicht.