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Royal greift nach dem Szepter

Von Alexander U. Mathé

Politik

Ségolène Royal will Frankreichs Präsidentin werden. | Weibliche Konkurrenz für Sarkozy. | Paris/Wien. Politisch kastriert waren Frankreichs Sozialisten bei der seit Jahrzehnten schwersten Krise der bürgerlichen Regierung zum Zuschauen verurteilt. Während Studenten und Gewerkschaften gegen die Lockerung des Kündigungsschutzes aufmarschierten, verhinderte die Zerstrittenheit der Linken aus der Situation Kapital zu schlagen.


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Paris/Wien. Politisch kastriert waren Frankreichs Sozialisten bei der seit Jahrzehnten schwersten Krise der bürgerlichen Regierung zum Zuschauen verurteilt. Während Studenten und Gewerkschaften gegen die Lockerung des Kündigungsschutzes aufmarschierten, verhinderte die Zerstrittenheit der Linken aus der Situation Kapital zu schlagen.

Bis heute hat die Sozialistische Partei (PS) die tiefe Spaltung nicht überwunden, die ihr das Referendum zur EU-Verfassung in Frankreich eingebrockt hatte. Damals war Ex-Parteichef (und Ex-Premier) Laurent Fabius seinem amtierenden Kollegen François Hollande mit einem "Nein" zum Regelwerk in den Rücken gefallen. Seitdem wusste niemand so recht wohin die Reise gehen soll. Alles blickte sehnsüchtig auf den November, der mit der Ernennung des Präsidentschaftskandidaten für 2007 eine Konsolidierung der Partei bringen sollte.

Ségolène Royal greift nach der Macht

Nun hat Ségolène Royal geradezu napoleonisch selbst das Szepter der Partei an sich gerissen. Mitten in einer Medienoffensive erklärte die Präsidentin der Region Poitou-Charantes dieser Tage, sie werde "wahrscheinlich" 2007 antreten, um ihr Amt auf ganz Frankreich auszuweiten. Dass Royal die neue Frontfrau der Sozialisten sein will, weiß man nicht erst seit gestern. Doch überraschte zumindest die Deutlichkeit, die die bis jetzt vorsichtige Royal an den Tag legte. Sie hat damit sicher auch nicht wenige Parteifreunde brüskiert.

Einer davon könnte ihr Lebensgefährte Hollande sein. Der Vater ihrer vier Kinder spekuliert ebenfalls auf das Präsidentenamt. Einen Rosenkrieg schloss Royal dennoch aus: "Wenn ich die besten Chancen habe, die Linke zum Sieg zu führen, wird er mich unterstützen".

Royal ist derzeit die einzige Sozialistin, die Innenminister Nicolas Sarkozy von der konservativen UMP in Umfragewerten die Stirn bieten kann. Zu Beginn dieses Jahres attestierten ihr die Meinungsforscher sogar, vor Sarkozy zu liegen.

Interessant ist dabei, dass Royal in vielen Punkten wie das weibliche sozialistische Abbild von Sarkozy wirkt. Ebenso wie bei diesem liegt ihre große Stärke bei den Medien. Diese erlaubten es ihr, aus dem Nichts und an üblichen Parteiinstanzen vorbei, an die Spitze der Partei zu treten. Auch PS-Sprecher Julien Dray hat bereits seine Präferenz für Royal durchscheinen lassen und soll in Hinblick auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl die Presseabteilung der Partei mit seinen Leuten durchsetzt haben.

Ein weiterer Punkt, der Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy verbindet, ist ihre Law-and-Order-Strategie. Die 52-Jährige erklärte unlängst, in Frankreich wieder die "rechte Ordnung" herstellen zu wollen.

Sozialistin mit traditionellen Werten

Aufhorchen ließ die Sozialistin auch mit ihrem Bedauern über die Abschaffung des allgemein verpflichtenden Wehrdienstes. Sie schlug als Ersatz einen sechsmonatigen Zivildienst für junge Franzosen vor, um Disziplin und Nationalstolz zu lehren. Selbst in der Wirtschaft spricht Royal mit konservativen Ideen auch konservative Wähler an. So sollen international tätige Unternehmen größere Flexibilität bei der Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern erhalten.

Da sich gleich und gleich gern gesellt, hofiert Sarkozy seine Konkurrentin und geizt dabei nicht mit Komplimenten. Dahinter steckt aber selbstverständlich politisches Kalkül, denn bei der UMP glaubt man, dass sich Royal im entscheidenden Moment als schwächerer Gegner herausstellen wird.

Nichtsdestotrotz dürfte das Timing, sich jetzt in Szene zu setzen, für Royal gut gewählt sein. Schließlich glauben letzten Umfragen zufolge 71 Prozent der Franzosen, dass Royal aus der Regierungs-Krise gestärkt hervorgegangen ist. Damit ist sie die größte Hoffnung der Sozialisten, der Partei wieder zu alter Kraft zu verhelfen.