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Ruandas Herrscher mit den zwei Gesichtern

Von Klaus Huhold

Politik

Autoritärer Präsident Kagame vor Wiederwahl. | Wirtschaftlicher Boom und Stabilität nach Völkermord. | Kigali/Wien. Seine Wahlveranstaltungen sind ein Siegeszug: Ruandas Präsident Paul Kagame tourt gerade durch das Land und in allen Provinzen jubeln ihm bei den sorgsam inszenierten Veranstaltungen die Massen zu. Der asketisch wirkende Staatschef mit der randlosen Brille und der schlaksigen Figur hebt bei seinen Reden gerne den Zeigefinger, den er dann auf die Zuhörer richtet, um auf die Errungenschaften seiner Regentschaft zu verweisen. Danach folgt meist eine Pause - und dann der frenetische Jubel des Publikums.


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Das kleine afrikanische Land mit rund 9,5 Millionen Einwohnern wählt am Montag einen neuen Präsidenten. Der Urnengang gilt nur noch als Formalakt.

Kagame, an dessen Sieg niemand zweifelt, ist ein Präsident mit zwei Gesichtern: Einerseits hat er das Land nach dem Massenmord der Hutus an den Tutsis befriedet und einen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht, andererseits werden ihm diktatorische Anwandlungen nachgesagt.

Es ist schwierig festzustellen, wie viel Zustimmung der Präsident tatsächlich hat. Bei der letzten Wahl 2003 erhielt Kagame 94 Prozent er Stimmen. Die Opposition sprach von Wahlbetrug, und dass diese Zahl der Realität entspricht, glaubt auch sonst niemand.

Gleichzeitig räumen auch die Gegner Kagames ein, dass der Staatschef wohl jede Wahl gewinnen würde, wenn auch nicht so deutlich. Für Viele gilt der 52-Jährige als Retter eines traumatisierten Landes: Im Jahr 1994 kam es in Ruanda zum Genozid, als Mitglieder der Mehrheitsbevölkerung der Hutus innerhalb von 100 Tagen 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutus abschlachteten. Der Tutsi Kagame marschierte mit seiner Rebellenarmee, der Ruandischen Patriotischen Front (RPF), der heutigen Regierungspartei, ein. Die RPF beendete das Morden. Kagame wurde Verteidigungsminister, später Staatschef. Es ist ihm gelungen, dem Land wieder Stabilität zu bringen.

Kaum Korruption

Ruanda erlebte unter seiner Präsidentschaft einen wirtschaftlichen Boom. Unter vielen Geschäftsleuten gilt das Land nun als der Ort, an dem man in Afrika investieren sollte. Die Infrastruktur wird kontinuierlich ausgebaut, und es gibt kaum Korruption.

Doch die Kritiker Kagames meinen, dass der Ex-Rebell nie aufhörte, wie ein Militär zu denken. Und sie verweisen darauf, dass in letzter Zeit auffällig viele Oppositionelle Opfer von Anschlägen wurden. Die Regierung streitet jede Verwicklung in die Vorfälle ab.

Unbestreitbar ist jedoch, dass die Regierung zwei Zeitungen vorübergehend schließen ließ und die oppositionelle Kagame-Herausforderin Victoire Ingabire unter Hausarrest stellte.

Die Politikerin, eine Hutu, hatte beim Völkermord-Mahnmal der Massaker an den Tutsi gedacht und gleichzeitig dazu aufgefordert, dass auch von Tutsi-Rebellen begangene Massaker an Hutus aufgeklärt werden. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen Verbreitung von Genozid-Ideologie ein.

Und das ist auch genau das Argument, mit dem Kagame immer wieder sein harsches Vorgehen rechtfertigt. In einem Land mit der Geschichte Ruandas könne keine absolute Meinungsfreiheit herrschen, Aufrufe zum ethnischen Hass müssten sofort unterbunden werden. Außerdem wirft er Oppositionspolitikern vor, Kontakte zu den im Kongo tätigen Hutu-Rebellen zu haben, bei denen sich viele Völkermörder verschanzen.

Auch politische Beobachter räumen ein, dass es diese Kontakte zum Teil gibt. Gleichzeitig verweisen sie aber darauf, dass Kagame diese Gefahr gerne überzeichnet und instrumentalisiert, um gegen Regierungskritiker vorzugehen. Denn die Hutu-Opposition ist schwach, und Ruandas schlagkräftige Armee hat von den Rebellen kaum etwas zu befürchten.

Offiziell gibt es ohnehin keine Hutus und Tutsis mehr, es ist nur noch von Ruandern die Rede. Und der wirtschaftliche Aufschwung soll die Versöhnung vorantreiben. "In städtischen Zentren wie Kigali wurde der Versöhnungsprozess durch den Aufschwung tatsächlich befördert", sagt der Ruanda-Experte und Jurist Gerd Hankel, der sich seit Jahren mit den Folgen des Genozids beschäftigt, gegenüber der "Wiener Zeitung". "In den ärmeren ländlichen Regionen sitzen die Spuren des Völkermords aber noch viel tiefer."

Die Erinnerung an die Vergangenheit lässt sich jedenfalls nicht wegwischen, viele Menschen haben ihre ganze Familie verloren und leben mit den Mördern von damals heute Tür an Tür. Vielen Ruandern ist daher laut Beobachtern Stabilität wichtiger als Demokratie.