Gas für russisches Geld: Putins Papier soll nicht nur den Rubel stützen, sondern auch die Gazprombank.
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Schachspielen hat im Osten Tradition. Spätestens seit der Netflix-Serie "Das Damengambit" ist das auch im Westen weitläufig bekannt. Und der Schachzug von Russlands Notenbank-Chefin Elwira Nabiullina lässt die westlichen Länder nun etwas ratlos dastehen. Sie soll hinter den Details des Dekrets, wonach Energielieferungen ab nun nur noch in Rubel zu zahlen sind, stehen. Dabei soll die Notenbankerin Medienberichten zufolge vom Ukraine-Krieg überrascht worden sein und deswegen sogar ihren Rücktritt angeboten haben - erfolglos. Jetzt muss sie die russische Wirtschaft vor dem Kollaps retten und den Rubel stabilisieren.
Mit dem Dekret, dass Gas und Öl künftig in Rubel bezahlt werden müssen, soll aber nicht nur der Rubel gestärkt werden. "Es soll wohl auch sichergestellt werden, dass die Gazprombank nicht in einem weiteren Sanktionsschritt aus dem Swift ausgeschlossen wird", erklärt Ökonom Vasily Astrov vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw).
Alles über die Gazprombank
Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Donnerstag ein Dekret erlassen, wonach "unfreundliche Staaten" Gaslieferungen nur noch in Rubel bezahlen dürfen. Nun haben aber europäische Energiekonzerne wie die heimische OMV Gaslieferverträge mit der staatlichen Gazprom, in denen auch die Zahlungsmodalitäten festgelegt sind. Im Fall der OMV wird in Euro und US-Dollar abgerechnet. Eine Umstellung wäre also ein Vertragsbruch. Darauf beruft man sich auch bei der OMV, wo man auch am Freitag noch nichts Schriftliches von Gazprom zur neuen Zahlungsmodalität bekommen habe.
Um die Sanktionen zu umgehen und um Vertragstreue zu garantieren, bedient man sich nun der Gazprombank. Das ist die Hausbank des russischen Gasriesen, über die ohnehin schon ein Teil der Gaslieferungen abgewickelt wird. Ein ausländischer Gaskunde wird dabei verpflichtet, Devisen auf ein spezielles Konto, ein sogenanntes K-Konto, zu überweisen. Die Gazprombank soll dann im Namen des Kunden Rubel bei der russischen Notenbank aufkaufen und die russische Währung auf ein anderes K-Konto transferieren. In einem weiteren Schritt sollen die Rubel dann auf ein Konto des Gaslieferanten Gazprom wandern. Wichtiges Detail: Die Gazprombank kann solche Konten laut Dekret ohne Anwesenheit eines Vertreters eines ausländischen Gaskäufers eröffnen.
Embargo dennoch kein Thema
Durch die Umstellung ändere sich in der Praxis eigentlich wenig, so Astrov. "Dass der Rubel gegenüber dem US-Dollar nach der Ankündigung des Dekrets so zulegte, hat wohl auch psychologische Effekte", meint er. Nach der Invasion in der Ukraine Ende Februar, dem darauf folgenden Ausschluss aus dem internationalen Swift-System einiger Banken und dem Einfrieren der Auslandsreserven der russischen Zentralbank war der Rubel stark eingestürzt. Mittlerweile steigt er aber wieder auf das Niveau von vor Kriegsbeginn.
Und überhaupt scheinen die harten westlichen Sanktionen Russland nicht ganz so hart zu treffen wie erhofft. "Der Wirtschaftseinbruch wird sich wohl auf 10 Prozent der Wirtschaftsleistung belaufen, die Inflation könnte 20 übersteigen", erklärt der Ökonom. Einen Kollaps konnte die russische Notenbank dennoch verhindern: Der Leitzins wurde auf 20 Prozent verdoppelt, exportierende Unternehmen müssen 80 Prozent ihrer Einnahmen in Rubel umwandeln.
Und: Russland exportiert weiterhin Gas und Öl zu derzeit sehr hohen Preisen. Diese machen in Summe 60 Prozent der russischen Exporte und 40 Prozent der föderalen Einnahmen aus. Allein am Freitag pumpte Gazprom 108,4 Millionen Kubikmeter Gas durch die Ukraine an europäische Kunden. Laut dem Brüsseler Thinktank Bruegel zahlten die EU-Staaten im März um die 660 Millionen US-Dollar täglich für Gaslieferungen an Russland. Der Gaspreis beläuft sich derzeit auf mehr als 100 Euro pro Megawattstunde.
Laut Bundeskanzler Karl Nehammer, der in Berlin auch Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck traf, stellt sich die Frage nach einem Öl- und Gasembargo aber ohnehin nicht. Dieses hätte sowohl für die russische als auch für die EU-Wirtschaft deutlich härtere wirtschaftliche Auswirkungen; auch für die ukrainische Wirtschaft. Diese liegt wegen der Invasion Russlands de facto still. Allerdings erhält das Land Transitzahlungen auch aus Russland, weil ja Russland weiterhin Gas über die Ukraine in die EU befördert. Die Transiteinnahmen beliefen sich vor dem Krieg auf rund zwei Milliarden US-Dollar. Mit einem Lieferstopp würde die Ukraine diese Einnahmen verlieren.