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Rückblick auf den Kölner Gipfel

Von Sabine Suette

Politik

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Seit einigen Wochen ist der Streit um die Neutralität bzw. um die zukünftige Entwicklung der europäischen Sicherheitspolitik das bestimmende Thema der österreichischen Innenpolitik. Dies

wurde nicht zuletzt in der letzten Hauptausschußsitzung am 25. Mai deutlich, als Bundeskanzler Klima und Außenminister Schüssel die Abgeordneten über die österreichischen Positionen hinsichtlich des

Kölner EU-Gipfels informierten.

In Köln werden vor allem die Beschäftigungspolitik, die Förderung des Wirtschaftswachstums, die noch ungelösten Fragen der Institutionenreform, die außenpolitische Identität der Union, die

europäische Sicherheitspolitik, die Rußlandstrategie der EU sowie die aktuelle Entwicklung im Kosovo im Mittelpunkt der Diskussionen stehen, berichteten die beiden Regierungsmitglieder. Mit konkreten

Beschlüssen über die Verschmelzung von WEU und EU sei jedoch nicht vor dem Jahr 2000 zu rechnen, sagten Klima und Schüssel übereinstimmend. Widersprüche zwischen dem Amsterdamer Vertrag bzw. der

Weiterentwicklung der europäischen Sicherheitspolitik und der österreichischen Neutralität, wie sie in unterschiedlicher Weise von den Abgeordneten Kammerlander (Grüne) und Schmidt (LIF) aufgezeigt

wurden, konnten weder der Bundeskanzler noch der Vizekanzler erkennen. Sollte die gemeinsame Verteidigungspolitik der EU allerdings zur Verankerung einer Beistandsverpflichtung führen, dann

wäre dies aufgrund der heutigen Verfassungslage für Österreich nicht machbar, unterstrich der Außenminister.

Bundeskanzler Klima wies darauf hin, daß der Amsterdamer Vertrag ein effizienteres Krisenmanagement der EU vorsehe. Die EU werde aber kein Militärpakt, betonte er, und am Krisenmanagement sollen auch

Nicht-NATO-Mitglieder teilnehmen können. Österreich und Schweden sind dafür eingetreten, daß die primäre Verantwortung für den Weltfrieden und das Gewaltmonopol bei den Vereinten Nationen bleiben,

führte der Bundeskanzler aus.

Außenminister Schüssel machte darauf aufmerksam, daß die Institutionenreform nicht in Köln beschlossen werde, er erwarte aber den Startschuß dazu und die Behandlung folgender Fragen: die

Verantwortlichkeit der Kommissionsmitglieder, die Stärkung von Europol, die Ausdehnung der qualifizierten Mehrheitsentscheidungen und der Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments sowie die

Stärkung der GASP. Eine Willensbildung über die Verschmelzung von WEU und EU werde erst Ende des Jahres 2000 fallen, die Diskussion darüber wird aber in Köln beginnen. Die österreichische Verfassung

sei durchaus offen für eine Teilnahme Österreichs an EU-geführten militärischen Aktionen im Bereich der "Petersberg-Aufgaben". Institutionell sei vorgesehen, statt eines

Verteidigungsministerrates den Allgemeinen Rat unter Hinzuziehung der Verteidigungsminister zu befassen. Außer Streit stehe auch ein militärischer Stab der EU und eine gemeinsame Rüstungskooperation.

Weichen für EU-Sicherheitspolitik gelegt

Der zweitägige EU-Gipfel in Köln, der am Freitag, dem 4. Juni, zu Ende ging, stand dann aber vor allem im Zeichen der sich bereits abzeichnenden Friedenslösung für den Kosovo, was das Interesse an

den eigentlichen Themen schrumpfen ließ: die Verabschiedung eines Europäischen Beschäftigungspaktes, die Ernennung des Mr. GASP, die gemeinsame Strategie für Rußland, der Startschuß zur

Institutionenreform sowie die EU- Grundrechtscharta.

In dem von den europäischen Regierungschefs verabschiedeten 30seitigen Schlußdokument wurde ein erster Anlauf zu einer Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik genommen. Es

herrschte Übereinstimmung darüber, daß die Europäische Union zur uneingeschränkten Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Bereich der Konfliktverhütung und der Krisenbewältigung über die entsprechenden

Fähigkeiten und Instrumente verfügen muß. Zur effektiven Durchführung der EU-Operationen soll die EU · entsprechend den Erfordernissen des jeweiligen Falls · entscheiden, ob dabei auf die Mittel und

Fähigkeiten der NATO zurückgegriffen wird oder nicht. Durch die Aufnahme des Wortes Neutralität in den Text wurde schließlich auch den Wünschen Österreichs entsprochen: "Wir wollen eine effektive EU-

geführte Krisenbewältigung entwickeln, in deren Rahmen sich sowohl der NATO angehörende als auch neutrale und bündnisfreie EU-Mitgliedstaaten in vollem Umfang und gleichberechtigt an den EU-

Operationen beteiligen können."

Mr. GASP

Ein weiteres wichtiges Ergebnis des Gipfels war die Ernennung des "Mr. GASP": Der bisherige Nato-Generalsekretär Javier Solana soll die Gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik der EU koordinieren.

Der 57jährige Spanier, der noch bis Mitte der 80er Jahre einen Nato-Beitritt seines Heimatslandes ablehnte, machte als Minister in der Regierung Gonzalez Karriere, ehe er im Dezember 1995 das Amt des

Belgier Willy Claes übernahm. Als "Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik" soll er nun dafür sorgen, daß die EU in der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme spricht.

Neutralität: Quo vadis?

Die Ergebnisse des Kölner EU-Gipfels zur künftigen europäischen Sicherheitspolitik haben die Neutralitätsdebatte nicht verstummen lassen. Dem SPÖ-Bundesgeschäftsführer Rudas zufolge ist

Bundeskanzler Klima eine "große Sensation gelungen", indem erstmals in einem offiziellen EU-Papier der Neutralitätsstatus einiger Mitgliedstaaten erwähnt wurde. Auch NR-Präsident Fischer zeigte sich

sehr zufrieden, denn "Österreich sei als neutraler Staat nach Köln gegangen und kehre als neutraler Staat aus Köln zurück". ÖVP-Generalsekretär Karas betonte, daß es von Anfang völlig klar gewesen

sei, daß Österreich nach dem EU-Gipfel keine Beistandsverpflichtungen erfüllen muß. "Aber leider haben wir einen Bundeskanzler, der die Wahrheit und die tatsächlichen Realitäten einer

Wahlkampfmaschine unterwirft und den Österreichern weismachen wollte, er verteidige in Köln die Neutralität". Für ausreichend Diskussionsstoff bis zur Nationalratswahl ist gesorgt.Õ

Sabine Suette ist Mitarbeiterin des Parlamentarischen Pressedienstes