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Rückblick auf vier Jahre Obama

Von Alexander U. Mathé

Politik

Der Präsident konnte die versprochene Einheit der USA nicht herstellen.


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Washington/Wien. Die Wirtschaft liegt darnieder - es herrscht die schwerste Rezession seit den 1930er Jahren, die Arbeitslosenzahlen befinden sich in einem unaufhaltsamen Aufwärtstrend und das Land steckt in kostspieligen Kampfhandlungen im Irak sowie in Afghanistan: Barack Obama hätte sich sicherlich andere Umstände gewünscht, unter denen er 2008 das Amt des US-Präsidenten übernommen hat.

Obama hatte den Wandel versprochen, mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Transparenz, doch die dringlichen Aufgaben waren andere. Der neue Präsident sah sich genötigt, die wichtige Autoindustrie mit staatlichen Geldern zu retten - ebenso wie die Banken, die als zu groß, um unterzugehen eingestuft wurden. Eigentlich hatte auf seiner Agenda die Halbierung des Budgetdefizits gestanden, stattdessen verpasste er den USA ein Stimulus-Paket über 787 Milliarden Dollar, womit er die Wirtschaft nach der Finanzkrise wahrscheinlich vor dem Zusammenbruch bewahrte. Auf diese Hilfe folgten weitere. Unter Obama lag das Haushaltsdefizit nie unter einer Billion Dollar pro Jahr. Er balgte sich ab 2010 mit den Republikanern darum, die Schuldenobergrenze weiter anzuheben. Heute haben die USA eine Staatsschuld in Höhe von mehr als 16 Billionen Dollar - sechs mehr als bei Amtsantritt Obamas.

Finanzmarktreform wurde verwässert

Dafür wollte der Präsident die Verursacher der Finanzkrise an die kurze Leine nehmen. Die Wall Street etwa manipuliere die Finanzen anstatt produktiv zu sein, erklärte er. Er wollte daher wieder für "fairen Wettbewerb am Markt" sorgen. Groß- und Investmentbanken sollten strengere Auflagen erhalten, riskante Finanzspekulationen beendet und eine zentrale US-Verbraucherbehörde geschaffen werden. Mit dem sogenannten Dodd-Frank-Act folgte tatsächlich ein entsprechendes Regelwerk. Doch Banken pulverten hunderte Millionen Dollar in Lobbyingarbeit, um das Gesetz zu verwässern und begannen dagegen zu klagen. Endeffekt: Mehr als die Hälfte der fast 400 Vorschriften sind noch immer nicht in Kraft.

Dennoch kann sich Obama an seine Fahne heften, die Wirtschaft der USA gerettet zu haben. Die Arbeitslosigkeit sinkt langsam aber stetig, die Wirtschaft wächst. Daneben ist sein größtes Bravourstück die Verabschiedung einer Gesundheitsreform, die ab 2014 bis auf wenige Ausnahmen allen Amerikanern einen Krankenversicherungsschutz beschert. Studenten profitieren schon heute davon. Viele Präsidenten hatten das über die Jahrhunderte probiert; alle waren gescheitert.

Soldaten dürfen homosexuell sein

Beim Militär schaffte Obama erfolgreich die Doktrin "Don’t ask, don’t tell" ab. Seither dürfen sich homosexuelle Soldaten offen zu ihrer Neigung bekennen. Dafür brach er sein Versprechen, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen. Ein Gericht verhinderte seinen Versuch gleich nach Amtsantritt, es dichtzumachen. Inzwischen unterzeichnete Obama ein Anti-Terror-Gesetz, das eine Verlegung der mehr als 150 Gefangenen in die USA unmöglich macht. Ein ernstes Interesse an der Schließung scheint nicht mehr da zu sein. Im Gegenzug hat der Friedensnobelpreisträger die Folterpraktiken, die noch unter seinem Vorgänger George W. Bush herrschten, abgestellt.

Ein weiteres großes Versprechen hat Obama gehalten: Die amerikanischen Truppen zogen endgültig aus dem Irak ab und begaben sich stattdessen in Afghanistan auf die Jagd nach Al-Kaida-Chef Osama bin Laden. Mit Erfolg. Navy Seals fanden ihn im benachbarten Pakistan und brachten ihn um. "Die Welt ist sicherer, weil Osama bin Laden tot ist", sagte Obama.

Mit Russland hat Obama, der von einer Welt ohne Atomwaffen träumt, einen neuen Vertrag zur Begrenzung von Nuklearraketen ausgehandelt. Dafür scheiterte er im eigenen Land mit der Einführung von CO2-Obergrenzen und Emissionshandel. Der Senat, in dem seine demokratischen Parteifreunde die Mehrheit hielten, stimmte dagegen.

Emotional die größte Niederlage für seine Anhänger war, dass Obama die USA nicht wie in seiner Antrittsreden angekündigt einen konnte: Amerikas Gesellschaft ist tief gespalten. Radikalinskis und Tea Party seien daran schuld, sagen die Demokraten, Obama sei mit dem Versuch, sozialistische Politik in den USA einzuführen, dafür verantwortlich, sagen die Republikaner. Vielleicht haben beide recht, vielleicht keiner. Vielleicht liegt es daran, dass sich die USA in einer Zeit des Übergangs von der Industrie- zur Informationsgesellschaft befinden und sich noch nicht auf einen politischen Ansatz für diese Herausforderung einigen konnten. Eine Herausforderung, die die nächsten vier Jahren bevorsteht.