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Rückgrat des Lebens

Von Roland Knauer

Wissen
Die DNA der Lebewesen hat ihren Ursprung im Kosmos.
© Fotolia/Kirsty Pargeter

Zentrale Bestandteile des Erbguts wie der Zucker Ribose entstanden mit den Planeten.


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Berlin. Als sich vor knapp 4,6 Milliarden Jahren das Sonnensystem bildete, entstanden Grundbausteine des Lebens gleich mit, zeigen Uwe Meierhenrich und Cornelia Meinert von der Uni Nizza in "Science": Die Sonne war gerade entstanden und ihr Licht strahlte auf winzige Körner in einer riesigen, flachen Scheibe, aus der sich bald Planeten, Monde und kleinere Bruchstücke zusammenballten.

Schon im Jahr 2002 haben die Forscher gezeigt, dass dabei Aminosäuren entstanden sein könnten, aus denen sich noch heute die Proteine in den Lebewesen aufbauen. In einem neuen Versuch bilden sich unter ähnlichen Bedingungen auch Ribose und andere Zucker, die das Rückgrat der Erbsubstanz formen. Als Zutaten dienen Wasser, Methanol und Ammoniak.

Diese einfachen Moleküle gab es auch in jener Scheibe reichlich, die vor 4,6 Milliarden Jahren die gerade entstandene Sonne umkreiste. Damals war es aber bitterkalt. Bei Temperaturen von wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius bildeten sich um winzige Staubkörner aus Silikaten Hüllen aus Wassereis, in das Methanol, Ammoniak und andere Substanzen wie Kohlenmonoxid und -dioxid eingefroren waren.

Aktivität der Radikale

Die Forscher kühlen daher ihre Zutaten mit flüssigem Stickstoff und bestrahlen die Eiskügelchen in luftleeren Kammern mit ultraviolettem Licht, in dem auch die neugeborene Sonne die Scheibe badete, aus der sich im Weltraum die Planeten zusammenballten.

Bei diesen Temperaturen zerlegt die energiereiche UV-Strahlung die einfachen Moleküle in kleinere Bestandteile, sogenannte Radikale, die normalerweise blitzschnell mit anderen Verbindungen reagieren. "Bei den tiefen Temperaturen im flüssigen Stickstoff oder in der Scheibe um die gerade entstandene Sonne aber frieren die Radikale im Eis ein", erklärt Meierhenrich. Nähern sich die Eiskörner der Sonne oder ballen sich zusammen, wärmen sie sich auf und die eingefrorenen Radikale beginnen wieder zu reagieren.

In ihrem Experiment ahmen die Forscher die Vorgänge nach, wenn sie die Zutaten auf Zimmertemperatur erwärmen. Danach analysieren sie das Gemisch mit modernen Methoden, die ihnen die entstandenen Verbindungen zeigen.

2002 hatten sie unter einer Million Moleküle wenige Aminosäuren gefunden. Verglichen damit finden die Forscher nun riesige Mengen verschiedener Zucker, Zuckersäuren, -alkohole sowie verwandte Substanzen. "Mehr als 3,5 Prozent der Masse besteht daraus", wundert sich Meierhenrich.

Ein kleiner Teil dieser Zuckermischung besteht aus Ribose, einem Zucker aus fünf Kohlenstoff-Atomen. Biochemiker erkennen das Molekül sofort als einen der Eckpfeiler des Lebens: Aus Ribose und zwei weiteren Molekülen besteht das gesamte Rückgrat der Ribonukleinsäure RNA, die in allen lebendigen Zellen auf der Erde als Blaupause der Erbsubstanz DNA eine Art Bauplan für die Herstellung von Proteinen aus einzelnen Aminosäuren liefert.

DNA wiederum entsteht in einer einfachen Reaktion aus RNA: Am Ribose-Rückgrat wird nur eine Gruppe aus einem Sauerstoff- und einem Wasserstoff-Atom durch ein Wasserstoff-Atom ersetzt. Biochemiker vermuten daher schon lange, dass am Anfang des Lebens RNA die Erbinformation speicherte und erst später durch die ähnliche, aber deutlich stabilere DNA ersetzt wurde. Die Forscher stellen in ihrem Experiment daher einen zentralen Bestandteil des ersten Lebens her.

Weiterer Kandidat

Jedoch gibt es zur Ribose durchaus Alternativen wie etwa den Zucker "Threose" mit nur vier Kohlenstoff-Atomen. Einige Experten vermuten, die erste Erbsubstanz hätte anstelle von Ribose diese Threose als Rückgrat verwendet. Diese "TNA" wäre dann später durch RNA und DNA ersetzt worden und aus dem Bereich des Lebens wieder verschwunden.

In den Versuchen entsteht auch diese Threose genau wie andere Substanzen wie die Zuckeralkohole Glycerin oder Mannitol reichlich, die ebenfalls als Rückgrat einer Ur-Erbsubstanz in Frage kommen. In welcher Phase des Aufwärmens diese für die Erbsubstanz so wichtigen Zucker-Moleküle entstehen, ist noch nicht bekannt. In den nächsten Jahren wollen die Forscher daher die Reaktionen im Eis mit Infrarot- und Ultraviolett-Spektroskopie beobachten, um das herauszufinden.