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Rückkehr als Trauma

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Studie zu seelischen Belastungen nach Rückführungen in den Kosovo.


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Wien/Brüssel. Für Edita war "Kosovo" nur ein Wort. Sie wusste nichts über das Land, aus dem ihre Eltern vor langer Zeit gekommen waren. Sie war sieben Jahre alt und hat nur Deutschland gekannt, wo sie sich gerade auf ihren ersten Schultag vorbereitete. Doch dann wurde sie mit ihrer Familie abgeschoben. "Rückführung" heißt der Vorgang auf Amtsdeutsch. Diese durchlebt Edita nun immer wieder in ihren Albträumen.

So wie Amir. Der 13-Jährige ist ebenfalls im Jahr 2010 mitten in der Nacht von Polizisten abgeholt worden. Er wiederum wurde aus Österreich "zurückgeführt". Nun wohnt er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in einem Dorf im Südwestkosovo. Und geht jede Nacht mit der bangen Frage ins Bett, "wann sie kommen werden".

Angstzustände, Depressionen, Selbstmordgedanken: Sie sind häufig bei Kindern und Jugendlichen zu finden, die aus Deutschland oder Österreich abgeschoben wurden, obwohl sie dort aufgewachsen sind. Die Hälfte von ihnen beschreibt ihre Rückkehr als schlimmste Erfahrung ihres Lebens, wie aus einer aktuellen Unicef-Studie hervorgeht. Für diese Untersuchung haben Edita und Amir ihre Erlebnisse geschildert, ebenso wie 162 weitere Mädchen und Buben sowie 131 Eltern.

Den Tag des Flüchtlings, der am heutigen Mittwoch begangen wird, nimmt daher das Netzwerk Kinderrechte zum Anlass, an die zuständigen Politiker - wie die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner - zu appellieren, den Verpflichtungen der UN-Kinderrechtskonvention nachzukommen. Denn das Wohl und die seelische Gesundheit von Kindern werden bei Abschiebungen keineswegs ausreichend beachtet, meint Alexander Schwentner von Unicef Österreich.

Schon 2009 begannen Deutschland und Österreich mit massiven Rückführungen von Menschen in den Kosovo. Die Regierung in Berlin hatte beschlossen, insgesamt an die 12.000 Personen - viele von ihnen Roma - auszuweisen. 2010 wurden laut der Studie 935 Kosovaren aus Deutschland weggebracht und 888 aus Österreich. Im Vorjahr waren es rund 400 aus Österreich. Fast drei Viertel der Kinder aus Minderheiten besuchen nach ihrer Rückkehr in den Kosovo keine Schule mehr.

Asyl für 84.100 Menschen

Rückführungen sehen die EU-Staaten als einen Bestandteil ihres Vorgehens gegen illegale Migration an. Seit Jahren müht sich die Europäische Kommission, die Regeln dafür zu vereinheitlichen - wie für die gesamte Einwanderungs- und Asylpolitik. Dagegen wehren sich aber etliche EU-Mitgliedsländer.

Umgekehrt fordern sie immer wieder, Asylwerber innerhalb der Europäischen Union besser zu verteilen. Denn mit Anträgen auf den Schutzstatus müssen sie sich in sehr unterschiedlichem Ausmaß beschäftigen: Während etwa in Frankreich im Vorjahr fast 76.800 Ansuchen behandelt wurden, waren es in Estland 75. Das geht aus den nun präsentierten Daten von Eurostat hervor.

Demnach wurden drei Viertel aller positiv beantworteten Anträge in sechs Staaten gestellt: in Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Schweden, den Niederlanden und Italien. Im Vereinigten Königreich erhielten 2011 knapp 14.400 Menschen Asyl, in Deutschland waren es an die 13.000 Menschen und in Österreich knapp 5900. Insgesamt erkannten die EU-Länder von den 365.615 Antragstellern 84.100 Menschen als schutzberechtigt an. In Österreich lag die Rate leicht über dem EU-Schnitt: 30,8 Prozent der Ansuchen wurden positiv entschieden.

Die meisten Flüchtlinge kamen aus Afghanistan, dem Irak und Somalia. Auch in Österreich bildeten Afghanen die größte Gruppe. Doch knapp 1300 russische Staatsbürger erhielten ebenfalls Asyl - so viele wie in keinem anderen EU-Land.