Vorsicht bei geplanter Teilverstaatlichung im Zuge der Coronavirus-Pandemie.
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Die Beteiligung des Staates an privaten Unternehmen galt lange als verpönt. Privatisierung und staatliche Zurückhaltung im Wirtschaftsbereich waren die Devise. Doch jetzt, in Zeiten von Covid-19, scheint sich das Blatt zu wenden. Die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager, hat kürzlich mit der Aufforderung aufhorchen lassen, die EU-Staaten mögen Anteile an angeschlagenen heimischen Unternehmen erwerben, um eine Übernahme durch chinesische Investoren zu verhindern. Und Deutschland hat jüngst mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz einen Topf von 100 Milliarden Euro für den Staat geschaffen, um in Unternehmen zu investieren.
Österreichs Regierung hält sich noch zurück, wie die Diskussion um eine mögliche Beteiligung an der angeschlagenen AUA zeigt, wird sich diesem Trend aber kaum entziehen können. Eng verbunden mit der Diskussion um staatliche Beteiligungen ist die Frage der immer strengeren außenwirtschaftlichen Kontrollen für ausländische Direktinvestitionen in systemkritische Unternehmen. Anlässlich Covid-19 hat die deutsche Bundesregierung bereits weitere Verschärfungen zum Schutz strategischer Unternehmenssektoren angekündigt. Österreich will Berichten zufolge diesem Beispiel bald folgen.
Derzeit gibt es in Österreich keine allgemeine gesetzliche Grundlage für staatliche Beteiligungen in Krisenzeiten. Zwar kann die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) nach dem ÖIAG-Gesetz durch Beschluss der Bundesregierung Anteile an Unternehmen erwerben. Gerade für den Fall einer Krise des zu erwerbenden Unternehmens ist ein Anteilserwerb aber ausdrücklich verboten. Im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 wurde mit dem Finanzstabilitätsgesetz ein Instrument zur Rekapitalisierung in Not geratener Unternehmen geschaffen.
Diese Schutzmaßnahmen, die auch staatliche Investitionen mitumfassen, betreffen jedoch grundsätzlich nur den Finanzsektor, insbesondere Banken und Versicherungen. Andere Sektoren sind ausgeschlossen. Es ist daher zu erwarten, dass der Gesetzgeber auch für andere Wirtschaftsbereiche staatliche Beteiligungen ermöglichen wird. An einer entsprechenden Nachfrage dürfte es jedenfalls nicht mangeln. Allein in Deutschland ist aufgrund entsprechender Voranfragen damit zu rechnen, dass hunderte bedrohte Unternehmen den Staat um eine zeitlich befristete Beteiligung bitten werden.
Strategisch wichtige Firmen
Eine zentrale Frage wird sein, welche Firmen mit einer Unterstützung in Form einer Staatsbeteiligung rechnen können. Hier ist noch vieles unklar. Absehbar ist, dass es sich um strategisch relevante Wirtschaftssektoren handeln wird. Das österreichische Außenwirtschaftsgesetz sieht etwa schon heute einen Katalog von Wirtschaftszweigen wie Energie, Telekommunikation, Infrastruktur und Sicherheit vor, die unter besonderem staatlichen Schutz stehen. Diese Liste bezieht sich jedoch in erster Linie auf Normalzeiten. Krisen, wie globale Pandemien, Umweltkatastrophen und Kriege, haben ihre eigene Dynamik. Insbesondere wenn gleichzeitig das Risiko unerwünschter Übernahmen durch ausländische Investoren deutlich zunimmt. Es ist daher denkbar, dass zumindest vorübergehend auch andere als schützenswert erachtete Unternehmensbereiche für eine staatliche Beteiligung in Betracht gezogen werden könnten, wie zum Beispiel Hochtechnologie, Luft- und Raumfahrt, Automobil- und Automobilzulieferindustrie, chemische und pharmazeutische Produkte, Elektrogeräte, Maschinen, Metalle, natürliche Ressourcen sowie Nahrungs- und Futtermittel.
Transaktionen mit Bund, Ländern, Gemeinden und öffentlichen Unternehmen sind komplex. Das liegt vor allem daran, dass neben den herkömmlichen Herausforderungen einer Mergers & Acquisitions-Transaktion zahlreiche speziell auf den Staat zugeschnittene Sonderregeln zu beachten sind. Besonders sensibel ist die Frage der Transaktionssicherheit. Der bei Unternehmenskäufen üblicherweise geltende Verkehrsschutz ist bei Geschäften mit der öffentlichen Hand erheblich eingeschränkt. So reicht etwa ein Geschäftsabschluss durch die vertretungsbefugten Organe nicht aus: Es müssen grundsätzlich auch die organisatorischen Regelungen der jeweiligen Gebietskörperschaft eingehalten werden, damit der Vertrag rechtsgültig zustande kommt. Der springende Punkt ist, dass diese internen Einschränkungen für den privaten Geschäftspartner oft nicht überprüfbar sind, sodass über dem Rechtsgeschäft nicht selten das Damoklesschwert der Nichtigkeit hängt.
Unzulässige Beihilfe?
Eine weitere Front, die bei Transaktionen mit dem Staat beachtet werden muss, ist das EU-Beihilfenrecht, das immer dann gilt, wenn man Unternehmen selektiv durch staatliche Mittel begünstigt. Unternehmen sind daher gut beraten, eine rechtliche und wirtschaftliche Due Diligence durchzuführen, damit der Kaufpreis marktkonform ist. Ansonsten könnte die staatliche Beteiligung als unzulässige Beihilfe angesehen werden und dem Unternehmen könnten erhebliche Rückforderungsansprüche drohen. Wie die Erfahrung aus der Finanzkrise zeigt, schließt aber selbst ein bloß nomineller Kaufpreis das Vorliegen einer Beihilfe nicht aus. Beteiligt sich der Staat an einem Unternehmen in Schwierigkeiten, um dieses zu retten, so muss der EU-Kommission ein beihilfenrechtlicher Restrukturierungsplan vorgelegt werden. Mit einem solchen Restrukturierungsplan sind erhebliche Einschnitte für die bestehenden Eigentümer wie auch für das zu rettende Unternehmen selbst verbunden.
Alles in allem stellen Mergers & Acquisitions-Transaktionen mit dem Staat eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar. Es bleibt abzuwarten, ob die notwendigen gesetzlichen Vorhaben zur Förderung staatlicher Beteiligungen tatsächlich kommen werden. Firmen, die eine solche Teilverstaatlichung in Betracht ziehen, sollten jedenfalls eine sorgfältige rechtliche und wirtschaftliche Prüfung sicherstellen.