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Rückkehr in die Ungewissheit

Von Martyna Czarnowska

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Millionen Rumänen sind auf Jobsuche ausgewandert. Viele möchten zurück - wenn es für sie Arbeit gäbe.


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Na gut, der Grund war kein recht origineller, gibt Ileana lachend zu. Es war ein Mann, dessentwegen sie ihr Land verließ. Mit ihrem Freund, einem Informatiker, ist sie vor mehr als zwei Jahren aus Rumänien nach Ungarn gezogen.

Doch hatte sie es sich leichter vorgestellt, Arbeit zu finden, erzählt die 28-Jährige, während sie aus dem Waggonfenster auf die vorbeiziehenden Lichter blickt. Sie war bei einem Symposion in Belgrad und fährt nun mit dem Nachtzug nach Budapest. Davor war sie gerade in der Nähe von Oradea, der rumänischen Stadt mit den blumenverzierten Jugendstilhäusern, unweit der Grenze zu Ostungarn. Dort ist ihre Heimatstadt. Und dorthin will sie auch zurückkehren. Die Kartons in Budapest sind schon fast alle gepackt.

"Es war ein Glücksfall", sagt Ileana. Das IT-Unternehmen, für das sie arbeitet, hat ihr einen Job in Rumänien angeboten. Diese Firma hatte ihr auch die erste fixe Stelle in Budapest verschafft. Sie hat die Gelegenheit ergriffen, auch wenn es nicht ihre Branche war. Doch als Sozialarbeiterin wollte sie niemand engagieren. Mit ihrer Bewerbungsmappe voller Dokumente, die ihre Berufserfahrung belegen sollten, ist sie monatelang erfolglos von einer Stelle zur anderen gelaufen.

Ileana ist eine von vielen Rumänen, die im Ausland Arbeit gesucht haben. Nach 1989 haben Millionen Menschen Rumänien verlassen. Sie pflücken Orangen in Spanien, arbeiten in Italien am Bau oder eben auch als IT-Spezialisten und Ingenieure. Oft sind es junge, gut ausgebildete Leute, die aber selbst als unterbezahlte Hilfskräfte im Ausland ein Vielfaches mehr als in ihrer Heimat verdienen, wo der monatliche Durchschnittslohn bei nicht einmal 500 Euro liegt.

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Vor dem EU-Beitritt Rumäniens im Jahr 2007 schätzte die Weltbank, dass der Bevölkerungsrückgang in dem Land mit seinen rund 21,5 Millionen Einwohnern in zwanzig Jahren bei zehn Prozent liegen werde.

Doch das war noch vor der Wirtschaftskrise. Mittlerweile überlegen etliche Länder, wie sie die gestiegene Arbeitslosigkeit bekämpfen können - und sorgen sich vor allem um ihre eigenen Staatsbürger.

Spanien etwa, das zuvor jahrelang Einwanderer ins Land geholt hat, um seine boomende Wirtschaft am Laufen zu halten, plante im Vorjahr ein Rückkehrprogramm vor allem für rumänische Migranten. Die stellten mit fast einer halben Million Menschen die drittgrößte Gruppe an Ausländern. Im Gespräch war die Vermittlung von Jobs in Rumänien oder sogar die Fortzahlung des spanischen Arbeitslosengeldes im Heimatland.

Doch auch dort ist es nicht einfacher geworden, Arbeit zu finden. Nach Angaben des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche betrug das rumänische BIP-Wachstum im Vorjahr minus sieben Prozent. Und auch die Auslandszahlungen, die eine wesentliche Rolle in der Leistungsbilanz spielen, gingen zurück. Schickten im Ausland arbeitende Rumänen im Jahr 2008 noch an die 4,2 Milliarden Euro in ihre Heimat, so waren es bis Oktober des Vorjahres nur noch rund 2,8 Milliarden Euro.

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Wie viele Menschen tatsächlich in ihr Land zurückgekehrt sind, lässt sich allerdings nicht sagen. Manche bleiben in Spanien oder Italien und hoffen, dass die nächste Saison wieder besser wird. In der Zwischenzeit können sie eben kein Geld in ihre Heimat überweisen.

Ileana erzählt von vielen Bekannten, die gerne nach Rumänien zurückkommen würden, sich aber vor der Arbeitslosigkeit dort fürchten. "Deswegen habe ich wirklich Glück", wiederholt sie. Ihr Freund wird übrigens mit ihr gehen. Es ist allerdings mittlerweile ein anderer. Der, mit dem sie nach Budapest gezogen ist, wird in Ungarn bleiben.