Paris - Der eigentliche Sieger stand gar nicht zur Wahl. Staatspräsident Jacques Chirac triumphierte bei der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich aber gleich mehrfach: Der Neogaullist kann aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer klaren Mehrheit in der Nationalversammlung regieren, die ihm treu ergebene "Union für die Präsidentenmehrheit" etablierte sich als stärkste politische Kraft Frankreichs. Die Sozialisten sind geschlagen, und Chiracs Intimfeind JeanMarie Le Pen musste eine schwere Schlappe einstecken.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Am Sonntag habe Chirac an allen Fronten Revanche genommen, kommentierte "Le Monde". Der überzeugende Wahlsieg des bürgerlich-konservativen Lagers tilgt auch die Zweifel an der Legitimität des Präsidenten, der am 5. Mai mit den Stimmen der Linken gegen den Rechtsextremisten Le Pen in seinem Amt bestätigt worden war. Und er verwischt die Erinnerung an seinen katastrophalen Missgriff von 1997, als er die Nationalversammlung vorzeitig auflöste und der Sieg der Linken ihn für fünf Jahre in eine quälende Zusammenarbeit (Kohabitation) mit Premier Lionel Jospin zwang.
Die nach dem Debakel von Jospin bei der Präsidentschaftswahl erneut schwer gebeutelte Linke übte sich am Montag in Durchhalteparolen, doch an einen Sieg bei der Stichwahl am nächsten Sonntag glaubt keiner mehr. Niemals sei in der zweiten Runde einer Parlamentswahl die Situation noch gekippt, erinnerte "Le Figaro"
Lange Gesichter gab es auch bei den Rechtsextremisten - trotz einer geringen Wahlbeteiligung, die ihn häufig stark gemacht hat, kommentierte ein äußerst schlecht gelaunter Le Pen das schwache Abschneiden seiner Nationalen Front. In nur 37 Wahlkreisen erreichten seine Kandidaten mehr als 12,5 Prozent der Stimmen aller eingeschriebenen Wähler und damit die Stichwahl. Mehr als 300 würden es, hatte Le Pen vorher getönt und gehofft, vielen Kandidaten des ihm verhassten Chirac das Leben schwer zu machen.
Die Franzosen wollten offensichtlich Klarheit an der Spitze des Staates. Eine neue Kohabitation hätte dem Land wohl eine Verfassungskrise beschert. Stattdessen entschieden sich die Wähler für eine Rückkehr zu den Wurzeln der Fünften Republik, in der ein starker Präsident die Richtlinien der Politik festlegt und die Regierung diese umsetzt.