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Rücklagen-Vodoo bei Einsparungen in Ministerien?

Von Clemens Neuhold

Politik

500 Millionen Euro müssen Ministerien einsparen - und niemand soll es spüren.


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Wien. Die Steuererhöhungs-Taste war schnell gedrückt. Ab 1. März sprudeln neue Steuern wie Sektsteuer und Tabaksteuer. Jetzt erst beginnt für Finanzminister Michael Spindelegger die eigentliche Knochenarbeit: das Sparen. 500 Millionen Euro pro Jahr quer über alle Ministerien lautet seine Vorgabe. Während die Steuern verlässlich fließen, muss er bei den Sparvorschlägen der Ministerien dreimal hinschauen, ob diese wirklich den erwünschten Effekt bringen: ein Nulldefizit bis ins Jahr 2016.

Aus Spindeleggers Büro heißt es: "Im Koalitionspakt ist vereinbart, dass es nachhaltige Einsparungen sein müssen." Bei einem Überblick der "Presse" über die Sparvorhaben der Ministerien stellt sich aber die Frage, wie ausgeprägt der Sparwille der Ministerien ist. Die Ressorts Verteidigung, Wissenschaft, Inneres und Gesundheit wollen die Sparziele in erster Linie über die Auflösung von Rücklagen bewerkstelligen. Nur: Wer Rücklagen auflöst, erhöht das Defizit - was wiederum für Spindelegger ein Problem darstellt. Am Beispiel Innenministerium: "Wir sparen 38,4 Millionen Euro zu 100 Prozent über die Rücklagen ein", heißt es zur "Wiener Zeitung". Diese habe man in vergangenen Jahren "durch sorgsamen Ressourceneinsatz" für die Folgejahre "angespart".

Falsches Bild vom Sparbuch

Dazu meint Peter Brandner vom Think-Tank weis[s]e Wirtschaft: "Rücklagen werden nicht wie am Sparbuch angespart. Die Auflösung von Rücklagen als Sparbeitrag senkt nicht, sondern erhöht das Defizit um den Betrag. Die Inanspruchnahme von Rücklagen erhöht immer das Defizit der Folgejahre in dem Maße, in dem es bei Erstellung der Rücklagen gesenkt wurde."

Auch die Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstitutes, Margit Schratzenstaller sagt: "Seit 2009 hat man immer besser abgeschnitten, weil alle Ministerien Rücklagen gebildet haben. Wenn ich sie nun auflöse, werden sie defizitwirksam. Das ist ein Nullsummenspiel."

Darauf angesprochen, dass Spindelegger dann nichts davon hat, heißt es aus dem Innenministerium: "Das ist schon richtig." Es sei aber genau das Ziel der Haushaltsrechtsreform 2009 gewesen, effizient zu arbeiten und Rücklagen zu bilden - für Projekte in den Folgejahren. Die will man sich nun nicht nehmen lassen. Das ist verständlich. Gerade weil die Ministerien die Reform ernst nahmen und Rücklagen bildeten, vernachlässigte man offenbar, dass die Auswirkungen aufs Defizit auch einmal negativ sein könnten. Im Büro Spindelegger heißt es, die Auflösung von Rücklagen sei ein "Einmaleffekt" und helfe sehr wohl, das strukturelle Defizit zu drücken. Dieses Defizit misst nur das langfristige Verhältnis von Ausgaben/Einnahmen.

Nicht auf Rücklagen setzt das Infrastrukturministerium, das 45 Millionen durch Zusammenlegung von Standorten und Abteilungen und Ausgliederungen einspart. Auch das Finanzministerium spart wohlweislich nicht über Rücklagen. Dort wird im laufenden Betrieb gekürzt, außerdem wird weniger an Finanzinstitutionen wie die Oesterreichische Kontrollbank überwiesen.