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Andrej Babis, Gründer der tschechischen Partei ANO, hat wegen dubioser Geschäfte seine Immunität verloren. Auch wenn ANO die Wahl gewinnt - unbeschadet wird Babis die Affäre nicht überstehen.
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Prag/Wien. Angriff ist die beste Verteidigung: Dieser Devise folgt Andrej Babis, tschechischer Milliardär und Gründer der Partei ANO. Wird er bei einem Interview mit unangenehmen Fragen konfrontiert, dann wird er schnell wütend, manchmal auch ausfällig, und fixiert seinen Gesprächspartner mit dem Blick eines Revolverhelden. Und Hinweise auf eine mögliche Unvereinbarkeit seiner politischen Ambitionen mit seinen Geschäften - Babis kontrolliert mit Agrofert den größten Landwirtschaftskonzern des Landes und besitzt auch noch ein Medienhaus - sind für ihn ungerechtfertigte und untergriffige Anwürfe seiner Gegner.
Nicht viel anders verhielt er sich nun bei einer Debatte im tschechischen Parlament, bei der er mehr oder weniger auf der Anklagebank saß. Es ging darum, ob Babis wegen einer Finanzaffäre, in der die Polizei schon seit 2015 ermittelt, die Immunität aberkannt werden sollte. Sieben Stunden dauerte die Diskussion, es kam zu heftigen Wortgefechten. Babis sprach von einem "Pseudoproblem" und von einer "gezielten Aktion", um ihm und seiner Partei bei den bevorstehenden Wahlen, die am 20. und 21. Oktober stattfinden, zu schaden. Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Lubomir Zaoralek, meinte, Babis solle nicht so unwürdig herumjammern.
Konkret geht es darum, dass Babis vor zehn Jahren eine Firma aus seiner Holding Agrofert ausgegliedert haben soll, um so für sein Freizeitareal "Storchennest" EU-Fördergelder zu erhalten, die für Klein- und Mittelbetriebe bestimmt waren. Etwa 50 Millionen Kronen (zwei Millionen Euro) sollen auf diese Art unrechtmäßig im Storchennest gelandet sein, das offenbar über anonyme Aktien Verwandten von Babis gehörte. Ein paar Jahre später wurde das Storchennest wieder Teil des Firmen-Imperiums von Babis.
Das Parlament entschied schließlich, die Immunität von Babis aufzuheben. Ihm droht damit eine Anklage. Dass er deshalb von seiner Kandidatur bei den Parlamentswahlen zurücktritt, davon will Babis freilich nichts wissen. Ganz im Gegenteil: "Dieser Fall soll mich politisch liquidieren, aber es entscheiden die Bürger in den Wahlen - sie werden das letzte Wort haben", sagte er.
Babis, der Anti-Politikerund starke Mann
Tatsächlich führt seine Bewegung ANO, die sich derzeit in einer Koalition mit den Sozialdemokraten (CSSD) und den Christdemokraten befindet, die jüngsten Meinungsumfragen an - allerdings wurden diese noch vor der Aufhebung der Immunität von Babis durchgeführt. Nach einer Umfrage der Agentur Median würden 26,5 Prozent der Befragten derzeit für ANO stimmen, es folgen die CSSD mit 14,5 Prozent und die Kommunisten mit 13 Prozent. Das Kürzel ANO stand ursprünglich für "Partei unzufriedener Bürger", "ano" heißt aber auf Tschechisch auch "Ja".
Babis war, als er ANO 2011 gründete, als Anti-Politiker angetreten. Er, der Geschäftsmann, und all die Polit-Quereinsteiger, die er in seiner Partei versammelte, würden arbeiten und anpacken, während die Berufspolitiker im Parlament nur sinnlose Reden schwingen würden. Diese Inszenierung zieht nach fast vier Jahren Regierungsarbeit nicht mehr so stark, doch sie wirkt noch immer. "Babis verkörpert damit ein in der Tschechischen Republik tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber politischen Strukturen", sagt der Prager Politologe Jiri Pehe der "Wiener Zeitung".
Darüber hinaus mimt er den starken Mann. Das mache ihn vor allem bei älteren Wählern, die viel Lebenszeit im Kommunismus verbracht und kein Problem mit autoritären Strukturen haben, beliebt, erklärt Pehe, der früher Berater von Präsident Vaclav Havel war und nun Direktor der New York University in Prag ist.
Und dann präsentiert sich Babis auch noch als Macher. Viele Wähler würden ihm laut Pehe auch abnehmen, dass er die Tschechische Republik ähnlich erfolgreich führen kann wie seinen Konzern Agrofert.
Zudem profitiere ANO bis heute "von dem fürchterlichen Auftreten" der etablierten Parteien in der Vergangenheit. Die Sozialdemokraten und die bürgerlich-konservative ODS, die lange Zeit die Regierungschefs stellten, "haben viel Glaubwürdigkeit verloren, weil sie viel zu lange in Korruptionsskandale verstrickt waren", erklärt Pehe. Babis war angetreten, um mit diesen Missständen aufzuräumen.
Das Saubermann-Imagekommt kräftig ins Wanken
Doch wird dieses Image, das Babis so viel Popularität eingebracht hat, noch halten, wenn er nun selbst kein weißes Hemd mehr trägt? Darüber kursieren in Tschechien derzeit zwei Theorien.
Die eine besagt, dass dem ursprünglich aus der Slowakei stammenden Politiker die jüngste Affäre nicht schaden wird. Seine Wähler würden demnach Babis abnehmen, dass er Opfer einer politischen Verschwörung wurde. Die entgegengesetzte Lesart sagt, dass nun doch einige Wähler, die sich aus Frust über die etablierten Parteien ANO zugewandt haben, wieder abspringen könnten. Zumal es ja nicht die erste Affäre ist, die auf Babis einen Schatten wirft. Wenn dem so ist, dann könnte das die bevorstehenden Wahlen noch kräftig durcheinanderwirbeln, sagt Pehe. Denn völlig unklar sei, wohin diese Wähler wandern würden. Profitieren könnten etwa die Sozialdemokraten, die Kommunisten, aber auch die nationalistische Bewegung des obskuren tschechisch-japanischen Unternehmers Tomio Okamura.
Völlig unbeschadet wird Babis die Affäre jedenfalls nicht überstehen. "Auch wenn er niemals von einem Gericht verurteilt wird, hat er ein ethisches Problem", sagt Pehe.
Zudem haben nun die Ambitionen von Babis, Tschechiens nächster Premier zu werden, einen Rückschlag erhalten. Da er bisher nicht verurteilt wurde, darf er zwar weiter zur Wahl antreten. Doch viele Politiker anderer Parteien haben schon verkündet, dass sie keine Koalition mit ANO eingehen wollen, wenn dadurch Babis Ministerpräsident wird. Doch auch wenn dann ein anderer ANO-Politiker dieses Amt übernehmen sollte - Babis würde wohl der starke Mann in der Partei bleiben.