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Rückschlag für Karsai

Von Alexandre Peyrille

Politik

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Haji Abdul Kadir war eine Ausnahmeerscheinung in der afghanischen Politik. Als Paschtune gehörte er zu der Volksgruppe, der auch die Mehrheit der Taliban angehören. Als Mitglied des Kabinetts von Präsident Hamid Karsai war er gleichzeitig einer der wenigen mächtigen Provinzfürsten, die sich zu der vom Westen unterstützten Übergangsregierung bekannten. Seine Ermordung am Samstag ist nach Meinung vieler Experten ein schwerer Rückschlag für Karsai. Sein Ziel, die unterschiedlichen Volksgruppen des Landes zu einen und Afghanistan dauerhaft zu befrieden, dürfte in ihren Augen nun wieder schwieriger geworden sein.

Für Ahmed Rashid, Autor des viel beachteten Buches "Taliban", setzte Kadir ein Zeichen für andere Warlords, ebenfalls mit Karsai zusammenzuarbeiten. Der Mord an dem Minister sei deshalb "ein ernster Schlag" für den Präsidenten.

Der Posten für Kadir war nicht der einzige Schachzug Karsais, um die Akzeptanz seiner Regierung zu erhöhen. Der usbekische General Abdul Rashid Dostum, Anführer der gegen die Taliban siegreichen Nordallianz, hatte in der ersten Übergangsregierung Karsais das Amt des stellvertretenden Verteidigungsministers inne. Auch Ismail Khan, selbst ernannter Herrscher der westafghanischen Provinz Herat, erhielt damals einen Kabinettsposten.

Kadir, der vor der Taliban-Herrschaft Mitte der 90er zuerst nach Pakistan und später nach Deutschland flüchtete, war eine der wenigen Integrationsfiguren für die große paschtunische Volksgruppe. In der Region um die ostafghanische Stadt Jalalabad genoss er großen Rückhalt. Grund dafür war nicht zuletzt seine einstige Nähe zu dem im September 2001 ermordeten legendären Nordallianz-Führer Ahmed Shah Massud. Zudem stand Kadir einem weiteren als Märtyrer verehrten Mujaheddin sehr nahe: Der im Oktober von den Taliban hingerichtete Abdul Haq war sein Bruder.

Doch nicht alle glauben, der Anschlag auf Kadir werde das Land umgehend und ernsthaft destabilisieren. Der Mord zeige zwar, dass Gewalt in Afghanistan immer noch an der Tagesordnung sei, sagt ein Vertreter der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan "Ich denke nicht, dass die Tat Teil einer groß angelegten Verschwörung ist".

Auch Ahmed Rashid hat trotz des Attentats vom Samstag noch Hoffnung. Die Tat - zusammen mit dem irrtümlichen US-Bombenangriff auf ein ausschließlich von Paschtunen bewohntes Dorf in Zentralafghanistan - könnte auch zu einer Welle der Sympathie für die Paschtunen führen. Auf diese Weise würde auch ein Beitrag zur Versöhnung in dem Land geleistet, wo Paschtunen wegen ihrer Unterstützung der Taliban bis heute benachteiligt werden.