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Rückschlag für Transparenz

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft
EU-Förderungen für Bauern werden wegen des fehlenden Datenschutzes vorerst nicht mehr veröffentlicht. Foto: bilderbox

"Eingriff in die Privatsphäre unverhältnismäßig." | Deutschland und Österreich schalten ihre Webseiten ab. | Brüssel. Schwerer Rückschlag für das EU-Prestigeprojekt der transparenten Landwirtschaftförderung: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kippte am Dienstag Teile der EU-Verordnung von 2008, welche die rechtliche Grundlage für die Veröffentlichung der Nutznießer der mit mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr größten EU-Budgetlinie im Internet darstellte (C93-09).


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Soweit davon natürliche Personen betroffen sind, erklärten die Luxemburger Richter das EU-Gesetz für ungültig. Es handle sich um einen unverhältnismäßigen Verstoß gegen den Schutz des Privatlebens und der personenbezogenen Daten. Für juristische Personen gilt die Veröffentlichungspflicht nach EuGH-Auskunft allerdings weiter.

Die exakten rechtlichen Auswirkungen des Urteils scheinen offenbar nicht alle EU-Juristen gleich zu beurteilen. Deutschland und Österreich nahmen ihre entsprechenden Internetseiten umgehend vom Netz, obwohl die größten Empfänger häufig juristische Personen sind wie der heimische Spitzenreiter, der Red Bull-Abfüller Rauch.

Die Kommission sah dagegen keinen sofortigen Handlungsbedarf. Schließlich erklärten die Luxemburger Richter explizit, dass ihre Entscheidung nicht rückwirkend sondern nur für künftige Veröffentlichungen bindend sei. Die nächste Publikation der heurigen Daten wäre erst im März 2011 fällig, Löschungsanspruch bereits veröffentlichter Daten sei aus dem Urteil nicht ableitbar, hieß es in Brüssel.

Zwei Landwirte klagten

Konkret hatten zwei hessische Landwirte gegen die Veröffentlichung ihrer persönlichen Daten wie Name, Ort und Postleitzahl im Zusammenhang mit den erhaltenen EU-Förderungen geklagt. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden zog den EuGH hinzu, weil es einen Verstoß gegen den Schutz personenbezogener Daten vermutete.

Zwar habe auch der Steuerzahler ein Recht, über die Verwendung seiner Mittel informiert zu werden, meinten die Luxemburger Richter. Gleichzeitig müsse aber die Verletzung der Privatsphäre natürlicher Personen auf das "absolut Notwendige" beschränkt werden. Eine solche Möglichkeit zur Beschränkung der Veröffentlichung nach "Art oder Umfang" der Förderungen sei im EU-Gesetz aber nicht vorgesehen worden.

Spätestens im März dürften also zumindest die Veröffentlichung der Förderzuteilung von Einzelpersonen vorerst EU-weit ausgesetzt werden. Bis dahin sei die Verordnung nicht reparierbar, hieß es in Kommissionskreisen - verlangt sie doch Mitentscheidung der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments.