Wiener Stadthalle: Umstrittenes Derivate-Portfolio liegt im Plus.
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Wien. Die Wiener Stadthalle ist wegen ihrer Derivatgeschäfte, die bei der Finanzierung Halle F abgeschlossen wurden, einmal mehr in schwere Kritik geraten. Der aktuelle Vorwurf: Das Anfang 2012 ausgeschiedene Management unter Peter Gruber habe "ein schweres Erbe hinterlassen" (Profil), 2012 sei wegen der riskanten Finanzierungen ein Millionenverlust eingefahren worden. Stimmt nicht, entgegnete die Stadthalle am Montag in einer Stellungnahme: Es seien keine Verluste aus Veranlagungen schlagend geworden. Aktuell und in seiner Gesamtheit betrachtet liege das umstrittene Portfolio mit rund 480.000 Euro im Plus.
Konkret geht es um ein Derivatportfolio, das zur Absicherung des Risikos von Zinsschwankungen für die Finanzierung der 2006 fertiggestellten Halle F dient. Um das Risiko zu streuen, bestehe das umstrittene Portfolio aus mehreren Produkten - davon hätten sich manche gut, manche weniger gut entwickelt: "Entscheidend ist, wie sich alle Produkte zusammen entwickelt haben und ob das Ziel im Sinne des aktiven Zins- und Risikomanagements erreicht wird - und zwar über den gesamten Zeitraum der Leasingfinanzierung", hieß es in der Aussendung.
Das Wiener Kontrollamt beanstandete bereits 2011, dass durch den Einsatz einzelner dieser Finanzinstrumente neue Risiken begründet würden, die nicht der Absicherung des Grundgeschäfts - eine bis weit nach 2030 laufende Leasingvereinbarung - dienen würden. Die Stadthalle wies damals die Kritik zurück und betonte am Montag einmal mehr, dass "das Portfolio in Bewertungseinheit zum Grundgeschäft der Leasingfinanzierung der Halle F stehe", deshalb hätten in den bisherigen Bilanzen auch keine Rückstellungen gebildet werden müssen. "Dass die Bilanzierung bisher korrekt war, bestätigen die uneingeschränkten Bestätigungsvermerke der Wirtschaftsprüfer", wurde betont. Die bilanzielle Behandlung der Derivatgeschäfte führte allerdings auch zu Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die demnächst entscheiden will, ob die Sache eingestellt oder doch Anklage erhoben wird.
"Der "Hauptempfehlung" des Kontrollamts gefolgt
Mit der nunmehrigen Bildung von Rückstellungen sei man aus "kaufmännischer Vorsicht" der "Hauptempfehlung" des Kontrollamts gefolgt, auch das Afrac (Austrian Financial Reporting and Auditing Committee) empfehle eine solche Vorgangsweise ab den Wirtschaftsjahren, die nach dem 1. Jänner 2011 begonnen haben. Für zwei mit der Erste Bank abgeschlossene Zinsderivate wurden Rückstellungen in Höhe von 3,9 Millionen Euro gebildet, ein mit der UniCredit Bank Austria abgeschlossenes Optionsgeschäft lag zum Bewertungsstichtag mit 3,6 Millionen Euro im Minus.
Der im Abschluss 2011/2012 der Stadthalle Betriebs- und Veranstaltungsgesellschaft - als Teil der Wien Holding eine 100-Prozent-Tochter der Stadt - ausgewiesene Verlust von knapp 6,5 Millionen Euro soll bis 2017/2018 "aus eigener Kraft" kompensiert werden. Dass sich der Fehlbetrag ohne einen 8,3-Millionen-Euro-Zuschuss der Mutter Wien Holding auf 14,8 Millionen Euro belaufen hätte, wie Medien kolportierten, sei "nicht korrekt". Denn Rückstellungen aus kaufmännischer Vorsicht seien keine Verluste. Und: "Verluste aus dem Veranlagungsportfolio sind auch keine lukriert worden", wird betont - die wären nur dann entstanden, wenn man alle Finanzprodukte zum Stichtag "glattgestellt" hätte.
Holding-Millionen sind "Darlehen, kein Zuschuss"
Durch das Darlehen - "das ist kein Zuschuss, wie die Medien kolportieren" - der Wien Holding in Höhe von 8,3 Millionen Euro wurde die Bildung der Rückstellungen ermöglicht - und man habe auch Spielraum für Investitionen, "die in einem 55 Jahre alten Bauwerk immer nötig sind".
"Wie alle großen Veranstaltungshallen in Europa ist die Wiener Stadthalle ein Unternehmen, das auch von der Unterstützung der öffentlichen Hand abhängig ist", wird in der Aussendung schließlich noch zu bedenken gegeben. "Jede Veranstaltungshalle in Europa - und wir gehören zu den Top 5 - erhält Unterstützung aus öffentlichen Mitteln, weil solche Häuser eine enorme Umwegrentabilität bringen", wird erinnert. Im Fall der Stadthalle errechne sich pro Jahr eine Wertschöpfung von mehr als 70 Millionen Euro für Wien. An eigenen Einnahmen erwirtschaftet die Halle am Vogelweidplatz bei rund 350 Veranstaltungen jährlich bis zu 25 Millionen Euro - "damit finanzieren wir uns immerhin zu rund 60 Prozent selbst".