Zum Hauptinhalt springen

Rücktrittsappelle an Italien

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Deutschlands Innenminister Otto Schily sowie EU-Abg. Martin Schulz (SPD) forderten gestern den Rücktritt des italienischen Tourismus-Staatssekretärs Stefano Stefani nach dessen beleidigenden Aussagen über Deutsche.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"In jedem anderen Land Europas wäre ein solcher Mann binnen fünf Minuten aus der Regierung geflogen. Dass dies in Rom nicht geschieht, gibt mir sehr zu denken", sagte EU-Abg. Schulz zur "Süddeutschen Zeitung". Gleichzeitig mahnte er, trotz des Eklats einen kühlen Kopf zu bewahren: "Wir können doch nicht ein ganzes Volk bestrafen, nur weil einige Politiker ausflippen." "Millionen Deutsche fahren zu Recht gern nach Italien, Millionen Italiener heißen sie willkommen, und die sind selbst angewidert von Leuten wie Stefani." Dieser hatte - als Replik auf die Auseinandersetzung zwischen EU-Abg. Schulz und Italiens Premier Silvio Berlusconi, die zu einem Eklat im Europäischen Parlament geführt hatte - in einem Blatt seiner Partei Lega Nord deutsche Touristen angegriffen.

Die italienische Regierung wäre gut beraten, diese Sache in Ordnung zu bringen und diesen Staatssekretär nicht im Amt zu belassen, meinte Deutschlands Innenminister Schily. Er nannte Stefani einen "tölpelhaften Staatssekretär", der für sein Amt "in jeder Weise ungeeignet" sei. Die Regierung in Berlin hat sich Schilys Rücktrittsaufforderung nicht angeschlossen. Die Regierung denke trotz der momentanen Querelen, dass Italien seine EU-Präsidentschaft erfolgreich gestalten werde, heißt es offiziell. Kanzler Gerhard Schröder sagte jedoch seinen alljährlichen Italien-Urlaub ab.

Der italienische Literatur-Nobelpreisträger Dario Fo sprach im "Berliner Kurier" in Bezug auf den italienischen Staatssekretär von "Wirtshausniveau". Der Regierung in Rom attestierte er niedriges kulturelles Niveau. "Es gibt nichts Schlimmeres als Regierende von niedrigem Niveau. Mehr noch: Sie sind ausgesprochen gefährlich - siehe Hitler und Mussolini." Berlusconis Nazi-Vergleich im EU-Parlament und der untergriffige Kommentar von Staatssekretär Stefani sind für SPÖ-EU-Abg. Hannes Swoboda "der Politik unwürdig". Damit werde "schnell kaputt gemacht, was jahrelang aufgebaut wurde", sagte er gegenüber der "Wiener Zeitung".

Angst vor Verzögerung

In den EU-Mitgliedstaaten wächst indes die Sorge, dass Italiens Premier Berlusconi als amtierender Ratsvorsitzender den Zeitplan für Europas Verfassung gefährden könnte. Irland, das wie berichtet nach Italien die EU-Präsidentschaft übernimmt, rechnet laut "Financial Times Deutschland" bereits damit, die verfassungsgebende Regierungskonferenz übernehmen zu müssen. Nach dem Zeitungsbericht schließen sogar die Niederlande nicht aus, in ihrem Ratsvorsitz im zweiten Semester 2004 noch an der EU-Verfassung arbeiten zu müssen.