Zum Hauptinhalt springen

Rückwärts statt vorwärts?

Von Kurt Bayer

Gastkommentare

Im Budget 2021 brauchen wir Investitionsvorhaben in die Zukunft und eine Industriestrategie.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die heutige Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel wird es vielleicht anders darstellen, aber die Zahlen zeigen: Die Budgetpläne für 2021, die laut Austria Presse Agentur einen Abgang von 21 Milliarden Euro (fast 6 Prozent des BIP) betragen sollen, zeigen zwar den Willen der Bundesregierung, Wirtschaft und Arbeitsmarkt weiter zu unterstützen, aber sie sind "mutlos" (Zitat Birgit Hebein) in Bezug auf die künftigen Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Nur 950 Millionen Euro (4,5 Prozent diese Abganges) sollen in "Zukunftsbereiche" (Digitalisierung im Bildungsbereich: 250 Millionen Euro; Klimaschutz im Verkehr: 300 Millionen; Cyberabwehr und Katastrophenschutz beim Heer: 120 Millionen), den ländlichen Raum (180 Millionen) und die Pflege (100 Millionen Euro) fließen. Inwieweit die Zusatzmittel für den ländlichen Raum und den Katastrophenschutz beim Heer, so wichtig Letzterer sein mag, als Zukunftsinvestitionen gewertet werden können, wird sicher der Minister in der Budgetrede darstellen.

Natürlich ist es wichtig, Unternehmen, Arbeitnehmer und Haushalte in dieser Krisensituation zu unterstützen. Besonders in der ersten Phase des Lockdown waren dies extrem wichtige Signale und auch unerlässliche materielle Hilfsmittel für schwer vom Stillstand getroffene Bereiche und Personen, wo und wann sie denn ankamen, ganz klar. Aber dass dieselben Nothilfemaßnahmen ein Jahr nach Beginn der Covid-Krise überwiegend in dieselben Bereiche fließen sollen wie am Anfang, ist eine Vergeudung von Mitteln, die die Steuerzahler aufzubringen haben, und eine Bankrotterklärung jener Politiker, die vollmundig davon schwärmten, die "Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit" einzuleiten.

Man kann in der Corona-Krise drei Phasen der wirtschaftspolitischen Intervention festmachen: erst die Nothilfe, die die ärgsten Einkommensausfälle kompensieren soll; dann ein Konjunkturpaket, um dem tiefen Einbruch der Wirtschaftsleistung (nach minus 14 Prozent im zweiten Quartal geschätzt auf minus 7 Prozent für 2020) zu begegnen; und schließlich die klima-, umwelt-, job- und unternehmensrelevanten Investitionsanreize, die den Umbau der Wirtschaft vorantreiben sollen.

Klimaschutz und Jobs

Klar ist, dass die ersten Hilfsmaßnahmen nur danach trachten konnten, bestehende Aktivitäten wieder (teilweise) herzustellen und die größten Einkommenslücken auszubügeln. Aber die Phasen zwei und drei - also Konjunkturpaket und Zukunftsinvestitionen - müssen Hand in Hand gehen. Es war schon ein gravierender Fehler der Regierung, die AUA-Hilfen nicht viel stärker an ökologische und soziale Auflagen zu binden, und es ist ein schweres Versäumnis, die Budgetausgaben für 2021 nicht ganz zielgerichtet und viel stärker für den Umbau einzusetzen.

Wo bleibt eine Forschungsoffensive in Richtung Nachhaltigkeit; ein ganz gezieltes und massiv beworbenes (Um-)Schulungsprojekt in Richtung Kindererziehungs- und Pflegeberufe; ein großes thermisches Sanierungsprogramm für öffentliche Gebäude und Anreize für Private; ein Mobilitätsumbauprogramm für die Städte; eine große Digitalisierungsoffensive im Gesundheitsbereich, die Präventivmedizin forciert; eine dringend nötige Erhöhung des Arbeitslosengeldes? Über all diesen Vorhaben sollten die beiden Zielsetzungen "Erreichung der Pariser Klimaziele" und "Wiederherstellung der Vollbeschäftigung" schweben. Dies mag einigen Klientelen, die die Regierung zu bedienen sucht, nicht gefallen - es wäre aber im Interesse der Bevölkerung.

Natürlich müssen auch, neben Investitionsvorhaben in die Zukunft, der Bevölkerung auch unangenehme Nachrichten vermittelt werden: Viele Lebensbereiche, die wir in den vergangenen Jahrzehnten als "normal" und "uns zustehend" angesehen haben, sind nicht mehr tragfähig: fossil betriebene Fahrzeuge, Sommerpartys und Apres-Ski, billige Fernreisen, das Parken auf öffentlichem Raum, die massenhafte Umwidmung von Grün- in Bauland, der Wildwuchs von Shopping Centers und Supermärkten außerhalb der Ortskerne etc.

Wir benötigen auch eine Industriestrategie, die sich mit dem notwendigen Schrumpfen der Erdöl- und Erdgasindustrie, der energieintensiven Zement-, Stahl- und Papierindustrie befasst, dem sich bereits jetzt stark abzeichnenden Schrumpfen der Autozulieferindustrie, und einigen anderen. Diese letzten Bereiche gehen sicher über den Anlass der Budgetrede hinaus, gehören aber dringendst angegangen: nicht nur, weil Teile davon für das für die Lukrierung der Österreich zustehenden Gelder des EU-Wiederaufbaufonds zu erstellende Konzept (wo bleibt dieses übrigens?) wichtig sind, sondern für die Zukunft Österreichs. Jede Aufrechterhaltung der bestehenden Strukturen macht den ohnedies nötigen Umbau viel, viel teurer und schwieriger. Dieses Budget sollte ein Fanfarenstoß in Richtung einer besseren Zukunft, in Richtung Nachhaltigkeit im Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftsbereich sein. Diese Chance wurde vertan, die bestehenden Strukturen werden mit viel Steuergeld versteinert.