Mit dem Einsatz eines neuen und viel schnelleren Zentrifugentyps zieht sich der Iran weiter aus dem Atomabkommen zurück.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Schüler und Studenten tragen martialisch aussehende Plakate und große Stoffpuppen mit einem fratzenhaft verzerrten Gesicht des US-Präsidenten. Viele in der mehre tausend Menschen umfassenden Menge machen Selfies, doch am Standort der ehemaligen US-Vertretung in Teheran hallen auch immer wieder "Tod den USA"-Rufe durch die Straßen. Denn die staatlich organisierte Kundgebung anlässlich des runden Jahrestages der letztlich 444 Tage dauernden Besetzung soll auch eine eindeutige Botschaft senden: 40 Jahre nachdem islamistische Studenten das heute nur noch "Spionagenest" genannte Botschaftsgebäude gestürmt haben, um damit gegen die Aufnahme des gestürzten Schahs Reza Pahlavi in den USA zu protestieren, sind die Vereinigten Staaten noch immer der große Satan.
Die Kundgebung in Teheran stellt an diesem Montag allerdings nur den Auftakt für einen neuen Schlagabtausch zwischen den verfeindeten Staaten dar. Denn während sich vor der ehemaligen US-Botschaft langsam die Reihen lichten, gibt Ali Akbar Salehi, der Chef der iranischen Atomenergie-Organisation, im staatlichen Fernsehen bekannt, dass sein Land weitere Verpflichtungen aus dem 2015 in Wien geschlossenen Atomabkommen aussetzen wird. So produziert der Iran mit täglich fünf Kilogramm mittlerweile nicht nur die zehnfache Menge an angereichertem Uran wie noch vor zwei Monaten. Salehi zufolge kommen auch zunehmend immer leistungsfähigere Zentrifugen-Generationen für die Urananreicherung zum Einsatz.
Produktionsgeschwindigkeit entscheidendes Kriterium
Mit der am Montag unter der Aufsicht von Salehi erfolgten Inbetriebnahme von 30 IR-6-Zentrifungen sollen nun bereits 60 Einheiten dieses deutlich moderneren Typs in Verwendung sein. Im Vergleich zu den IR-1-Modellen, die der Iran laut Abkommen einsetzen darf, können die neuen Einheiten in der selben Zeit zehn Mal soviel Uran anreichern. Und das Ende der Entwicklung scheint noch längst nicht erreicht. Salehi zufolge wird auch schon an zwei IR-9-Prototypen gearbeitet, die noch fünfmal schneller produzieren können.
Die Produktionsgeschwindigkeit war ein entscheidendes Kriterium bei der Ausarbeitung des Wiener Atomdeals gewesen. Denn mit dem Abkommen sollte die Zeit, die die Islamische Republik braucht, um genügend angereichertes Material für den Bau einer Atombombe herzustellen, von damals zwei bis drei Monaten auf knapp ein Jahr gestreckt werden. "Die neuen Zentrifugen demonstrieren unsere Fähigkeiten und unsere Entschlossenheit", sagt Salehi.
Der Einsatz der neuen Zentrifugengeneration ist bereits der vierte Teilschritt, mit dem sich der Iran sukzessive aus dem Atomabkommen zurückzieht. Nach dem einseitigen Austritt von US-Präsident Donald Trump aus dem Vertrag im Mai 2018 und der Verhängung neuer Sanktionen hatte sich der Iran zunächst weiter an die Vereinbarung gehalten in der Hoffnung, sie mit den anderen Vertragspartnern Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China retten zu können. Doch den verbliebenen Signatarstaaten ist es seither nicht gelungen, den wirtschaftlichen Aufschwung, der dem Iran im Gegenzug für das Zurückfahren seines Atomprogramms in Aussicht gestellt wurde, auch tatsächlich zu gewährleisten. Stattdessen hat die US-Sanktionspolitik, die vor allem auf die iranischen Öleinnahmen abzielt, die Konjunktur im Iran dramatisch einbrechen lassen.
Keine direkten Verhandlungen
Ein Ende der fortwährenden Eskalation ist dabei nicht abzusehen. So gab es schon bei der UNO-Vollversammlung vor knapp einem Monat statt dem von vielen Seiten erhofften Treffen zwischen Trump und Irans Präsident Hassan Rouhani lediglich ein Duell auf Distanz im Plenarsaal, auf das in den Wochen danach weitere US-Sanktionen folgten.
Verhandlungen ohne Vorbedingungen, wie sie die USA verlangen, sind vor allem für Rouhani heikel. Denn ohne eine zuvor erfolgte Lockerung der Strafmaßnahmen kann der iranische Präsident direkte Gespräche vor den Hardlinern zu Hause unmöglich rechtfertigen. So hat sich Irans oberster Führer erst am Sonntag gegen die Aufnahme von diplomatischen Verhandlungen mit den USA ausgesprochen. "Falls die iranischen Offiziellen so naiv wären, und sich auf Verhandlungen mit den USA einließen, hätten sie definitiv nichts erreicht", sagte Ayatollah Ali Khamenei. Verhandlungen würden nämlich weder zu einer Revision der Politik des maximalen Drucks, noch zu einer Aufhebung der US-Sanktionen führen. n (rs)