)
Bundeskanzler Faymann kann sich Darlehensmodell vorstellen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Die SPÖ scheint in der Debatte um Studiengebühren einzulenken. Bundeskanzler Werner Faymann kann sich eine sozial verträgliche Form von Studiengebühren vorstellen. Man könne verschiedene Modelle prüfen, solange nur keine Hürden für Studierende aus wirtschaftlich schwachen Familien eingeführt würden, sagte der Kanzler nach dem Ministerrat.
In der SPÖ ist allerdings ein Parteitagsbeschluss gegen Studiengebühren aufrecht. Dennoch kann sich Faymann eine parteiinterne Debatte vorstellen. Unterrichtsministerin Claudia Schmied verwies auf eben diesen Parteitagsbeschluss und meinte, sie fühle sich daran gebunden. Im Übrigen würden durch Studiengebühren höchstens 200 Millionen Euro eingebracht werden, 180 Millionen Euro würden die höheren Stipendien verschlingen, blieben also nur 20 Millionen Euro. Wenn man diese den 2 Milliarden Euro der Unis gegenüberstelle, sei das "nicht sehr attraktiv".
SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas präzisierte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Die Wiedereinführung von Studiengebühren wird es mit uns nicht geben. Die haben wir mit gutem Grund abgeschafft." Allerdings gestand sie zu, dass es einen SPÖ-internen Diskussionsprozess geben werde, bei dem die verschiedenen Modelle evaluiert würden. Hauptaugenmerk werde dabei sein, dass der freie Uni-Zugang erhalten bleibt. Ob dann ein "akademischer Solidaritätsbeitrag", die von den Kärntner und niederösterreichischen Genossen vorgeschlagene Akademikersteuer, herauskomme, ein Darlehensmodell oder andere Varianten sei noch völlig offen. "Es wird nicht ganz schnell gehen", sagte Rudas, gefragt nach dem Zeitraum des Nachdenkprozesses.
Töchterle erfreut
Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle zeigte sich erfreut über die Diskussionsbereitschaft beim Koalitionspartner. Er verwies darauf, dass er ein fertiges, sozial verträgliches Modell habe, das auch Stundungen von Studiengebühren vorsieht. Er sei jederzeit gesprächsbereit, sagte der Wissenschaftsminister. Töchterle hat einen Entwurf ausgearbeitet, der den Universitäten frei stellt, selbst Studiengebühren bis zu einer Höhe von 500 Euro pro Semester einzuheben. Ausnahmen sind darin ebenso vorgesehen, wie wesentlich höhere Gebühren für Studierende aus Drittstaaten.
Hochschulforscher Hans Pechar hält wenig von einer Akademikersteuer. Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser hatte vorgeschlagen, 20 Euro pro Monat von Akademikern einzuheben, die mehr als 3200 Euro verdienen. "Dieser Vorschlag ist extrem ungerecht", sagte Pechar. Und er glaubt auch, dass diese Steuer im Nachhinein rechtlich nicht hält. Gerechter wäre da ein Darlehensmodell nach australischem Vorbild. Dabei handelt es sich um eine Gebühr, die gestundet und im Laufe des Berufslebens zurückgezahlt wird. Das wäre auch sozial verträglich, weil jene, die wenig oder nichts verdienen, auch nichts zurückzahlen müssten. Das Darlehensmodell wird in verschiedenen Staaten angewendet. In Australien begründet es eine Steuerschuld. "Das ist das sozial gerechteste Modell, das allerdings Hirnschmalz erfordert, um es auf die Reihe zu bekommen", sagte der Hochschulforscher. Er glaubt, dass sich SPÖ und ÖVP eher in Richtung Darlehensmodell bewegen werden, da die SPÖ das Töchterle-Modell ablehnt.
Hoher Verwaltungsaufwand
Nicht seiner Meinung - was die juristische Einschätzung einer Akademikersteuer betrifft - ist Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Akademikersteuern auch 30 Jahre nach Studienabschluss einzuführen, sei rechtlich möglich. "Man kann ja auch Steuererhöhungen für bestimmte Gruppen beschließen. Daher auch für Akademiker", sagt Mayer. Allerdings verweist der Jurist auf den gewaltigen Verwaltungsaufwand, der hinter einer solchen Akademikersteuer stünde: Was passiert mit Studienabbrechern? Die Einkommen müssen ständig überprüft werden. Absolventen, die schon eine Gebühr gezahlt haben, müssten ausgenommen werden. Was ist mit den Stipendien?
Mayer ist aber auch gegen ein Darlehensmodell. Er halte es nicht für sinnvoll, wenn jemand mit Schulden ins Berufsleben eintritt. Besser wären seiner Ansicht nach Studiengebühren, die pro Semester gezahlt werden. Dann könnte man auch einmal ein Semester pausieren.
Im Wintersemester 2001/02 wurden von der schwarz-blauen Regierung Studiengebühren eingeführt. Die SPÖ war dagegen und hat schließlich im September 2008 gemeinsam mit Grünen und FPÖ für eine De-facto-Abschaffung im Nationalrat gestimmt. Dieses geltende, sehr komplexe Modell hat der Verfassungsgerichtshof aufgehoben.