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Rudolf Burger

Von Ruth Pauli und Andreas Unterberger

Reflexionen

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Herr Professor Burger, wozu braucht eine Gesellschaft die Philosophie?

Das philosophische Denken ist nicht etwas, was eine Gesellschaft braucht, wie sie technische oder künstlerische Fertigkeiten braucht. Das ist etwas, was sich aus der menschlichen Existenz spontan ergibt.

Also nicht Voraussetzung der menschlichen Existenz, sondern Konsequenz?

Philosophie gehört konstitutiv zur menschlichen Existenz. Philosophie - das ist eine bestimmte Intensität des Denkens, nicht ein Themenbereich. Natürlich haben sich in der Geschichte der Philosophie seit den Griechen bestimmte Themenbereiche, Problemkomplexe herausgebildet, die heute kanonisch zum philosophischen Denken gehören. In diesem Sinn ist Philosophie heute - wie einer der von mir sehr geschätzten Autoren, nämlich Panayotis Kondylis gesagt hat - aber eigentlich tot und begraben.

Also tot im Sinne einer Funktionalität?

Ja. Denn viele Themenbereiche, die traditionellerweise Aufgabenbereiche der Philosophie als akademischer Disziplin waren, haben sich selbständig als Disziplinen etabliert. Dazu gehört der große Bereich der Naturphilosophie, der Physik, der Chemie, Biologie, Anthropologie. Auch die Ästhetik, die doch mit einem Fuß in der Philosophie wurzelt. Da hat sich sehr viel verselbständigt. Was einmal Philosophie war, ist heute aufgefächert. Auch die politische Philosophie, die noch existiert, aber doch große Bereiche ihrer Kompetenz verloren hat - an politologisches, historisches, auch ökonomisches Denken.

Es wird so viel über Philosophie gesprochen, dass man nicht das Gefühl hat, sie wäre tot.

Wenn man in Alltagsgesprächen Philosophie sagt, meint das meist eine Form der Sinnvermittlung, der Trostvermittlung, der Lebenshilfe, also mehr oder minder pädagogische Veranstaltungen zur Herstellung von Lebenszufriedenheit. Das war Philosophie jedoch nie. Große Philosophie war vor allem ein Enttäuschungsunternehmen. Sie ist kein Trostbringer.

Also ist der Philosophen-Hype nur ein Dürsten nach Lebenserklärung?

Ja das schon. Aber den Befund möchte ich differenzieren. Wir hatten in den 90er Jahren eine Hausse an Interesse für philosophische Texte. Das kam insbesondere über die Postmoderne aus Frankreich - Derrida, Lyotard u.a. Das war eine sehr fragwürdige Bewegung. Denn was dieses Denken vor allem gefördert hat, war weniger das Begreifen als die Ergriffenheit. Sich begeistern an schönen Gedanken, Widerstand ohne Risiko, Nonkonformitätskonformismus, Erbaulichkeit. Hegel sagt einmal: Philosophie muss sich hüten, erbaulich zu sein. Das war aber oft Erbauung, vage Assoziationen. Eher Gefühlslyrik als die Schärfe des Begriffs.

Aber man erwartet doch von den Philosophen besondere Urteilskraft.

Natürlich. Philosophen als intelligente, gebildete Individuen, die spielen in der breiten, feuilletonistischen Öffentlichkeit wahrscheinlich eine größere Rolle als in früheren Zeiten. Aber die große politische Leitfunktion, die die Philosophie seit der Aufklärung bis zur Spätzeit des Kalten Kriegs gehabt hat, ist weg. Für die geschichtliche und politische Entwicklung spielten die Philosophen die Rolle der großen Wortführer, auf der linken wie der rechten Seite. Das gilt insbesondere für die gesamte nachhegelsche Philosophie. Das gilt für den Marxismus, für die Existenzphilosophie, sowohl in ihrer rechten wie in ihrer linken Variante, also bei Heidegger und bei Sartre, das gilt für die Philosophie des Absurden eines Camus. Das alles waren wirklich kultur- und denkprägende Unternehmungen. Das waren die Mandarine von Paris. Diese Rolle ist weg.

Wir reden also von der Bedeutungslosigkeit der Philosophie.

Von einem rapiden Bedeutungsverfall.

Macht Sie das traurig?

Nein. Ich bin ja selber kein Philosoph. Ich sehe mich eher als Antiphilosoph in der klassischen Tradition der Sophistik.

Ein liberal-radikaler Denker?

Im Grunde bin ich ein Mensch, der versucht, sich in der Welt zu orientieren. Von der Ausbildung her bin ich Naturwissenschafter, Physiker, weil ich einen sehr guten Physiklehrer in der Schule gehabt habe, der ein naturphilosophischer Leibnizianer war, ein naturphilosophischer Rationalist.

Wo würden Sie sich aber als Philosoph einordnen lassen?

Von der erkenntnistheoretischen Dimension würde ich mich als einen materialistischen Skeptiker bezeichnen. Von der moralphilosophischen Seite her als agnostischen Marxisten. Von der politischen Seite her hat das in meinem Denken verschiedenste Perioden durchgemacht als Reaktion auf realgeschichtliche Aspekte. Und ich war fasziniert von der kritischen Theorie Adornos, nicht wirklich überzeugt, weil sie mir immer zu gnostisch erschien.

Woher kommt die marxistische Seite des Rudolf Burger?

Ich komme aus einem kommunistischen Elternhaus. Meine ersten philosophischen Debatten waren Streitgespräche mit meinem Vater, der in der Nazizeit Kommunist war. Mein Studium von Marx, Sartre oder auch Max Stirner, den ich gelesen habe, als ich 15 war, das waren meine Orientierungsversuche in einer komplizierten Welt.

Und wie sieht das nach dem Zusammenbruch des Kommunismus aus?Man kann die Ereignisse, für die 1989 und 1991 symbolisch stehen, in der Weltgeschichte und auch in ihrer philosophischen Bedeutung gar nicht überschätzen. Da ging eine Epoche zu Ende - realpolitisch, aber natürlich auch im politphilosophischen Sinn. Man sollte durch diese weltpolitischen Erfahrungen belehrbar sein. Nicht in dem Sinne, dass man einzelne Ereignisse, und seien sie noch so furchtbar, pathetisiert, zu moralischen Argumenten macht, sondern um sich über Vorstellungen klar zu werden und ihren illusionären Charakter zu sehen.

Und was bleibt danach vom Marxismus?

Den analytischen Marx der politischen Ökonomie halte ich nach wie vor für einen bedeutenden Denker. Das heißt nicht, dass er auf alles eine Antwort hat. Die großen "Schwarzen Denker" - nach Habermas - haben eine Tradition von den Griechen herauf, Thukydides, Hobbes, Macchiavelli. Und zu der gehört auch der späte Marx. Gleichwohl brauchen wir eine vollkommen neue Theorie, um die Wirklichkeit zu begreifen.

Die es noch nicht gibt?

Wo ich in der akademischen Philosophie wenig Ansätze sehe. Die meisten sind moralisch anbiedernde Normativisten, "leidige Tröster", wie Kant sie nannte. Mit einer Ausnahme: Panayotis Kondylis. Aber die neuen Phänomene wie die Retheologisierung der Politik hat niemand von uns vorausgesehen. Dass die Religionen auf einmal wieder politische Mächte darstellen, das ist ein neues Phänomen. Man darf nicht vergessen, dass alle großen revolutionären Bewegungen des 20. Jahrhunderts säkular, nationalistisch, marxistisch waren, vom Boxeraufstand bis zum Vietnamkrieg.

Im Nahen Osten war das anders.

Auch hier waren die PLO und die Baath-Partei säkular-nationalistischen Bewegungen. Natürlich gab es, für uns nicht sichtbar, dort schon seit langem einen politischen Islam. Das beginnt schon mit der Mahdi-Bewegung des späten 19. Jahrhunderts. Aber an der Oberfläche waren die Bewegungen säkular. Sichtbar beginnt der Islamismus erst mit der Revolution der Mullahs 1979 im Iran. Das sind neue Phänomene. Man hat lange Zeit geglaubt, dass Säkularisierung und Modernisierung parallel sind, man hat die beiden Begriffe fast schon als Synonym verwendet. Heute ist das anders.

Auch in Europa, abgesehen von islamischen Migranten?

Meinem Eindruck nach gibt zumindest in Osteuropa, aber auch in Westeuropa, eine zunehmend religiöser werdende Grundstimmung.

Die jüdisch-christlichen Wurzeln Europas, die in die Präambel der europäischen Verfassung hätten geschrieben werden sollen, wie sieht das der Agnostiker Burger?

Zunächst: Mir ist recht, dass das nicht drinnen ist. Natürlich gibt es ein starkes christliches Erbe, aber von einem jüdisch-christlichen zu reden, ist bestenfalls eine sympathische Lüge, schlimmstenfalls aber das, was ich die ideologische Sekundärausbeutung der Opfer nenne, denn die Juden waren verfolgte Minderheiten, die als agnostisch Assimilierte viel zur europäischen Kultur beitrugen, aber nicht durch ihre Religion. Vor allem aber würde ich hineinreklamieren: das antike Erbe, das griechisch-römische Erbe. Foucault hat gesagt, die Griechen haben das Denken erfunden, denn es ist das erste Mal, dass das Denken sich nicht in einem vorgegebenen religiösen Rahmen entfaltet. Und die Römer das juristische und das politische Denken.

Unbedingt würde ich dann noch die Aufklärung hineinreklamieren: Sie ist ein spezifisch europäisches Element. Der europäische Rationalismus des 17. Jahrhunderts und der Empirismus: Das ist wirklich weltweit einmalig. Das spezifisch Europäische, das, was wirklich radikal anders ist, das ist die europäische Aufklärung.

Aber wenn schon ein Gottesbezug, dann nur ein christlicher?

Selbstironisch bezeichne ich mich manchmal als katholischen Atheisten. Denn mir ist natürlich klar, dass ich in einer katholischen Kultur aufgewachsen bin, nicht in einer katholischen Familienatmosphäre, aber mit katholischen Kapillaren ins Alltagsverhalten hinein, ins moralische, ästhetische Urteil. Der Gott, an den ich nicht glaube, ist der christliche Gott. Nicht der Gott des alten Testaments. Der ist für mich kein Thema.

Mit dem haben Sie sich nicht auseinandergesetzt.

Er ist nicht relevant. Der christliche ist relevant. Aber für mich nur in der Negation. Wenn ich gläubig wäre, würde mich aber das Wort Gottesbezug empören. Das ist eine Abwertung. Entweder handelt es sich um eine pathetische Leerformel oder, wenn man es inhaltlich ausgestaltet, ist es eine Kampfansage.

Die Verfassung, so hieß es immer, hätte die EU demokratischer machen sollen.

Ich bin ein großer Befürworter der europäischen Einigung. Aber ich glaube nicht, dass die EU wirklich demokratisierbar ist. Dahrendorf hat einmal die lakonische Formel gebracht: Je mehr EU, desto weniger Demokratie. Damit hat er recht. Weil eine europäische Demokratie so etwas voraussetzt wie einen europäischen Demos. Der existiert nicht und wird auch in absehbarer Zukunft nicht existieren, weil es keine diskurrierende europäische Öffentlichkeit gibt. Daher ist es ein technokratisches, politökonomisches Projekt, das ich begrüße. Eine Stärkung des Parlaments mag in einigen Bereichen wünschenswert sein, aber als Gegengewicht zum Rat halte ich es grundsätzlich für schädlich. Das würde eine Doppelherrschaft aufbauen. Das halte ich nicht für wünschenswert. Der Rat ist sehr wohl demokratisch, wenn auch indirekt.

Ein Europäischer Demos: Geht das ohne gemeinsame Sprache?

Sprache ist wesentlich, aber nicht alles. Der einzige Entfaltungsraum der modernen Demokratie ist die Nation. Der Nationsbegriff ist ein Korrelat zur Massendemokratie. Diese Nation selber ist nichts Substantielles, sondern eine von der überwiegenden Mehrzahl derer, die ihr angehören, geglaubten Erzählung. Ich denke nicht, dass durch administrativ-pädagogisch gesetzte Maßnahmen so etwas wie ein Volk, ein Demos, herstellbar ist. Sondern das setzt große realpolitisch und geschichtliche Prozesse voraus, die eine vollkommene Umstrukturierung der völkischen Struktur eines Gebietes notwendig machen. Wenn, was wir alle wollen und glauben, kein neuer europäischer Krieg kommt, wird es auch keinen europäischen Staat geben.

Es gibt eine wachsende Polarität zwischen Freiheitsbegriff und politischer Korrektheit.

Es ist erstaunlich, in welchem Maße politische Korrektheit als gesellschaftliche Selbstzensur um sich greift. Man kann vieles an der heutigen kulturellen und diskursiven Entwicklung nur verstehen, wenn man nach Amerika schaut. Um Europa zu verstehen, muss man Amerikanist werden, hat Sloterdijk einmal sehr richtig gesagt. Die Political Correctness ist ein Produkt des amerikanischen Diskurses, im Zusammenhang mit der Bürgerrechtsbewegung, mit der Affirmative-Action-Bewegung und dem amerikanischen Feminismus entstanden, der über sprachlichen Puritanismus versucht hat, gravierende Klüfte in der amerikanischen Gesellschaft abzubauen.

Das hat jetzt Europa erreicht.

Eine eigenartige Bewegung. Aber: Man redet immer vom Rückzug des Staates im Liberalismus. Ich sehe eher eine Verschiebung von Staatsfunktionen. Wir erleben heute eine zunehmende Mikronormierung und Pädagogisierung des Alltags bis in die Sprache hinein. Das kann beängstigend sein. Nehmen wir den Hype der Klimakatastrophe. Gegen Klimaforscher, die eine dissidente Position vertreten, wird nicht nur argumentiert, sondern sie werden auch moralisch diffamiert.

Was in der naturwissenschaftlichen Debatte neu ist.

Das Beunruhigende ist, dass etwas Entscheidendes der europäischen Aufklärung damit zurückgenommen wird. Das wissenschaftliche, moderne Denken zeichnet sich vor dem vormodernen, theologisch imprägnierten u.a. dadurch aus, dass es in sich selber nicht häresiefähig ist. Einer, der eine abweichende Position hat, wird nicht als moralisch verwerflich angesehen. In der Physik gibt es immer noch Spinner, die glauben, die Relativitätstheorie ist falsch. Aber entweder argumentiert man gegen sie, oder man lässt sie links liegen. Nie werden sie als Häretiker, als Ketzer, als moralisch verwerfliche Individuen angesehen. Diese Errungenschaft wird jetzt zurückgenommen. Abweichende sind jetzt moralisch schlechte Menschen. Das gilt in der Geschichtspolitik, aber auch selbst in den Naturwissenschaften, in der Klimaforschung, der Meteorologie.

Ist das nicht auch dem unbequemen Philosophen Rudolf Burger passiert?

Da soll man sich nicht selbst bemitleiden. Das ist eine bis in die engsten persönlichen Verhältnisse reichende Schwierigkeit. Aber das hat es in der Geschichte des Denkens immer gegeben. Die Aufgabe eines Denkenden, eines Intellektuellen, eines Philosophen, ist es nicht, die Wahrheit als letzte Grundlage zu erkennen, sondern richtige Urteile zu fällen. Also Wahrheit klein geschrieben. Wahrheit bleibt auch für einen Skeptiker ein zentraler Richtwert. Und die kollidiert oft mit der moralisch imprägnierten öffentlichen Meinung.

Nur kann diese Wahrheit immer noch unangenehme Folgen für den haben, der sie ausspricht?

Jede Gesellschaft braucht so etwas wie lebensschützende Illusionen. Jede. Marx hat die Ideologie definiert - das ist eine seiner großen Erkenntnisse - als notwendig falsches Bewusstsein. Beide Adjektive sind wichtig. Als Agnostiker, als Atheist glaube ich nicht an die Wahrheit der Religionen. An eine ontologische, normativ verbindliche Wahrheit. Das ist eine Illusion. Zugleich glaube ich nicht, dass es stabile, friedliche Gesellschaften geben kann, die nicht irgendein illusionäres Sinnsystem brauchen, um so etwas wie friedliche zwischenmenschliche Beziehungen zu legitimieren.

Dann kommen böse Philosophen und zerstören dieses Sinnsystem. Da muss man ihnen ja den Schierlingsbecher hinstellen.

Das ist das Kernproblem einer ernst genommenen Philosophie. Das Ziel des Denkens, nicht des Einzelnen, sondern der historischen Entwicklung des Denkens, ist im prägnanten Sinn der Nihilismus. Nicht verstanden als Aufruf zur Zerstörung wie im Russland des späten 19. Jahrhunderts, sondern in dem Sinn, dass es keine glaubwürdige, objektive Sinnstruktur gibt, etwas, das mehr ist als nur eine subjektive Überzeugung. Das ist Nihilismus. Oder wie Nietzsche einmal gesagt hat, dass die obersten Werte sich entwerten. Dass sie als objektiv verbindliche nicht existieren. Sei das jetzt eine metaphysische Seinordnung, im Sinne einer aristotelischen Substanzmetaphysik, sei es in Form der großen historischen Religionen, des Judentums, des Christentums, des Islam. Dass es eine objektive Normativität im Universum nicht gibt. Das ist Nihilismus. Mit dieser Erkenntnis ist es schwer, wenn nicht überhaupt unmöglich, eine Gesellschaft zu bilden. Da ist der konsequente Philosoph daher ein Störefried und ein gefährliches Element.

Gibt es jene Verengung des Denkens besonders in Österreich? In Großbritannien oder Frankreich wird man nicht sofort zum Häretiker erklärt, wenn man etwas anderes sagt.

Grundsätzlich erklärt sich das aus der antiliberalen Geschichte, auch aus der gegenwärtigen Lage. Das ist ein kleines, fettes Land, abseits oder am Rande des welthistorischen Geschehens, es ist selbst nicht Akteur, hält sich aus Konflikten möglichst heraus, aufgrund der Neutralität. Das verengt natürlich auch die Sicht. Und führt zu selbstgefälligen Duckmäusertum, mit leichter Neigung zur Hysterie.

Zur Person:

Rudolf Burger ist sicher Österreichs bedeutendster und umstrittenster Philosoph. Seine Abrechnung mit der Hysterie des Jahres 2000 ("Der antifaschistische Karneval") trug ihm den Titel "Apologet der Wende" ein. Der am 8. 12. 1938 in Wien geborene Burger entstammt einem kommunistischen Elternhaus, wo früh der Marxismus sein Denken nachhaltig geprägt hat. Er studierte technische Physik an der TU Wien, promovierte 1965 und arbeitete als Universitätsassistent in Wien, am Battelle-institut in Frankfurt am Main und im Planungsstab des Bundesministeriums für Forschung und Technologie in Bonn. 1973 holte ihn Hertha Firnberg als Leiter der Abteilung für sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung ins neue Wissenschaftsministerium. 1979 habilitierte sich Burger und wurde 1987 Professor für Philosophie an die Universität für Angewandte Kunst, deren Rektor er von 1995 bis 1999 war. 2000 wird er mit dem Staatspreis für Kulturpublizistik ausgezeichnet. Wichtige Arbeiten widmete er der Ästhetik und der politischen Philosophie.

Zu einer Hexenjagd kam es gegen Burger, als er 2001 mit seinem Essay "Die Irrtümer der Gedenkpolitik. Ein Plädoyer für das Vergessen" einmal mehr in seinem kompromisslosen Denken und seiner präzis-pointierten Formulierungskunst missverstanden wurde. Burger scheut nie eine Auseinandersetzung, die er wert hält, geführt zu werden. Nichts passt besser zu ihm und zu seiner Stellung in der österreichischen philosophischen Landschaft als der Titel, den er für seine akademische Abschiedsfeier gewählt hat: "Von der Unabhängigkeit des Denkens" (So hieß ein Symposion der Angewandten und der Plattform WeltStadtWien am 24. Mai). Seine Bücher (u.a. "Ptolemäische Vermutungen" 2001, und "Eine kleine Geschichte der Vergangenheit", 2004) sind leider fast restlos vergriffen.