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Ruf nach "EU-Konvent"

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Die letzte EU-Regierungskonferenz hat zumindest eines deutlich gezeigt: Geht es um konkrete und weitreichende Entscheidungen, sind immer noch nationale Interessen zuungunsten einer "Europäischen Perspektive" ausschlaggebend. Vor allem die Abgeordneten des Europäischen Parlaments kritisieren das jetzt und verlangen eine verstärkte Einbindung ihrer Institution in den europäischen Entscheidungsfindungsprozess. Funktionieren soll das über EU-Konvente.


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Die in Nizza zu Ende gegangene EU-Regierungskonferenz hat in Österreich wie auch in Deutschland vor allem Vertreter des EU-Parlaments mit einem Gefühl der Unzufriedenheit zurückgelassen. Burgenlands sozialdemokratische EU-Abgeordnete Christa Prets kritisierte etwa, dass hinsichtlich der Vorbereitung auf die Osterweiterung beim EU-Gipfel "vieles offen geblieben" sei. Zwar habe es "kleine Fortschritte" gegeben, dennoch habe das EU-Parlament in einem gemeinsamen Entschließungsantrag aller Parteien beschlossen, die "Mängel von Nizza" zu beheben und bessere Grundlagen für die Erweiterung zu schaffen.

Nizza war "Bazar der nationalen Interessen"

Das ist Musik in den Ohren des ÖVP-Abgeordneten zum Europäischen Parlament, Othmar Karas. Er verglich den Gipfel in der südfranzösischen Metropole mit einem "Bazar der nationalen Interessen." Die einzelnen Regierungen hätten eher den "kurzfristigen innenpolitischen Erfolg" und nicht die europäische Perspektive im Auge gehabt. Auch die französische Ratspräsidentschaft hätte zuwenig Druck dahingehend ausgeübt, dass die übrigen Mitgliedstaaten bei ihren nationalen Interessen nachgeben. Vor allem das Drängen der Franzosen auf Einstimmigkeit in Handelsfragen hätte negative Vorbildwirkung gehabt, so Othmar Karas.

Auch von Seiten der deutschen Kirche kam unmissverständliche Kritik an Nizza: So meinte der Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union, Bischof Josef Homeyer, dass der Gipfel von Nizza gezeigt habe, dass das Instrument der Regierungskonferenzen allmählich an ihre Grenzen stoße.

Greifbare Ergebnisse durch einen Konvent

Was alle drei EU-Vertreter für die Verhandlungen nach Nizza fordern, sind wesentliche Reformen im Bereich der europäischen Entscheidungsmechanismen. Favorisiert wird dabei die Errichtung eines sogenannten "Konvents", bei dem das Europäische Parlament eine stärkere Rolle als bisher spielen soll. Vorbild ist die Europäische Grundrechtscharta, die in einem Konvent ausverhandelt wurde. Vor allem EVP-Präsidiumsmitglied Othmar Karas kann sich für diese Form der Beschlussfassung - wie er in einer Pressekonferenz kundtat - erwärmen. Im Fall der Grundrechtscharta habe es das übliche "Herumdümpeln" nicht gegeben, in nur neun Monaten, "wie bei der Geburt eines Babies", habe es ein greifbares Ergebnis gegeben, veranschaulichte Karas die Idee.

Zivilgesellschaft stärker in die EU einbinden

Auch die SP-EU-Abg. Christa Prets ist für einen solchen Konvent. Sie will vor allem die Ergebnisse des Nizza-Gipfels von diesem Gremium überprüfen lassen. Bischof Homeyer tendiert in die gleiche Richtung. Er schlägt für das Jahr 2004 eine Sonderkonferenz vor, bei der die Zuständigkeiten zwischen EU, Nationalstaaten und den Regionen neu abgegrenzt werden müssten. Diese Beratungen will aber auch er nicht in die Hände der herkömmlichen Regierungskonferenzen gelegt wissen, sondern in die des erst zu schaffenden Konvents. Durch einen solchen könnte die Zivilgesellschaft stärker an der EU beteiligt werden, so der Bischof.