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Ruf nach Guttenberg wird lauter

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Minister beliebter als Seehofer. | Konkurrenz im Land oder im Bund? | München/Wien. Dass seine Rede zur Bundeswehrreform auf dem zweitägigen CSU-Parteitag mit Applaus aufgenommen werden würde, war vorauszusehen. Vor wenigen Monaten war das noch nicht so selbstverständlich. Denn Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte mit seinem Plan, die Wehrpflicht auszusetzen, in seiner eigenen Partei für gehörigen Aufruhr gesorgt.


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CSU-Parteichef Horst Seehofer hatte damals die allgemeine Wehrpflicht als "Markenkern" seiner Partei bezeichnet. In der Regierungskoalition mit CDU und FDP schwenkte er indessen rasch auf Guttenbergs Linie ein und stellte sich hinter den gemeinsamen Kabinettsbeschluss, womit nur noch die Absegnung durch die Parteitage von CSU und CDU einzuholen war.

Diese Wankelmütigkeit, die sich auch in anderen Materien wie Gentechnik-Verbot oder Gesundheitsreform gezeigt hat, hat Seehofers Ruf in der eigenen Partei beschädigt. 2008 war er nach einer verheerenden Wahlniederlage als Retter und Reformer an die Parteispitze gehievt worden. Im Rahmen der Verjüngungskur förderte er die Karriere von Guttenberg - im November 2008 als CSU-Generalsekretär installiert, wurde dieser keine vier Monate später Wirtschaftsminister, ehe er vor einem Jahr Verteidigungsminister Franz Josef Jung beerbte.

In allen diesen Positionen machte er gute Figur, auch wenn der stets gut aufgelegt scheinende Adelige oft eher durch selbstbewusstes Auftreten als durch konkrete Aussagen zu überzeugen wusste. Aber immerhin wagte er es, in der Opel-Krise Kanzlerin Angela Merkel öffentlich zu widersprechen. Diese eigenständige Haltung unterscheidet Guttenberg von der Sprunghaftigkeit Seehofers und macht ihn beliebt bei Medien und Bürgern.

Mittlerweile macht er seinem einstigen Förderer Seehofer Konkurrenz. 60 Prozent der Wähler von CDU/CSU würden laut einer Umfrage für das Magazin "Stern" lieber den Spross aus steinreicher Adelsfamilie als Seehofer an der Spitze der CSU sehen, ebenso wie 54 Prozent der Bayern ungeachtet der Parteipräferenz.

Frauenquote in der CSU

Am Parteitag der Christlichsozialen in München ging es indes nicht um Führungspositionen; eine Abstimmung über die Parteispitze war von vornherein nicht vorgesehen. Stattdessen wolle man "eine Parteireform diskutieren, wie sie in der Geschichte der CSU noch nicht da war", sagte Seehofer, der die Modernisierung der Partei weiter voran bringen will. Im Mittelpunkt standen dabei zwei Vorhaben. Zum einen ist dies eine für die obersten Parteigremien verbindliche Frauenquote von 40 Prozent. Auch wenn diese für die unteren Parteiebenen nur als Empfehlung gilt, ist dieser Punkt in der männerdominierten Partei heftig umstritten, sogar bei den Frauen. Das zweite Hauptelement des Leitantrags ist eine stärkere Mitgliederbeteiligung und hier vor allem eine aktivere Nutzung des Internets. Unter anderem soll losgelöst von Ortsverbänden eine Mitgliedschaft per Mausklick möglich sein. Ein weiteres wichtiges Thema war die Integrationsdebatte sein, in der die CSU klar Position beziehen will: "Deutschland ist kein Zuwanderungsland", "Integrationsverweigerer" dürften keinen Platz in Deutschland haben, sagte Generalsekretär Alexander Dobrindt zum Auftakt.

CSU-Chef Seehofer nahm die medialen Diskussionen um seine Führungsrolle gelassen: "Die werden sicher noch viele Wochen und Monate anhalten", meinte er. Schließlich ist noch lange nicht ausgemacht, ob sich der ehrgeizige Guttenberg eines Tages auch um den Parteivorsitz bewirbt. Wahlen stehen erst in drei Jahren an, in Bayern, aber auch im Bund. Und Guttenberg ist auch bei der Schwesterpartei CDU beliebt. Deren Vorsitzende, Kanzlerin Merkel, kam in München, gerade zurückgekehrt vom EU-Gipfel, unmittelbar nach Guttenberg zum Reden. Vielleicht ist das der eigentliche Konkurrenzkampf, spekulieren viele. Denn in allen bundesweiten Umfragen liegen Guttenbergs Sympathiewerte weit über denen von Merkel.